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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 17/18
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Schmidt, Paul Ferdinand: Walter Gropius
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0504

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Walter Gropius Arbeitsamt Dessau. Innerer Umgang. 192g

aber sowohl in architektonischer wie in technischer und grundrißmäßiger Hinsicht
überholt und auch kaum mehr von ihrem Schöpfer und den Bewohnern anerkannt.
Manche anfangs überzeugende Tdeen, wie z. B. die enggedrängte Kombination der
kleinen Küche mit Waschküche und Bad (alles in Beton!) haben ihre allzu geringe Eig-
nung für sozialen Komfort rasch enthüllt.

Erst in den letzten Jahren, nachdem er sich von der Verwaltungsarbeit des Bauhauses
gelöst hatte, konnte Gropius sich dem Problem der Kleinwohnung gründlicher widmen.
Als praktische Lösung liegt die Siedlung Dammerstock bei Karlsruhe vor, als
reifstes Projekt — das hoffentlich zur Ausführuug kommt — das für Haselhorst bei
Spandau. Beide gehen von der Idee der langgestreckten geschlossenen Wohnblöcke
aus, die rechtwinkling von Wohnstraßen ausstrahlen, in einheitlicher Nordsüdrichtung,
wie sie Gropius im Zentralblatt der Bauverwaltung go, 12 (26. März dieses Jahres) be-
schrieben hat.

Das Ideal des zweigeschossigen Einfamilienbaues, wie es der ganzen Vorkriegszeit vor-
schwebte, und wie es Gropius selber nocli in Törten verwirklicht hat, ist aufs Unent-
behrliche eingeschränkt. Es wird immer Leute geben, die ihr Home mit winzigen
Eigengärtchen im Ileihenhäuschen von zwei Geschossen finden wollen. Dammerstock
trägt dieser Neigung noch weitgehend Rechnung. Vorausgesetzt, daß der Bodenpreis
als gleichbleibend ausgeschaltet werden kann: so ist noch durchaus zweifelhaft, ob das
Glück des Großstädters immer nur in diesen fragwürdigen Hauskästchen zu finden sei;
wo man den Nachbarn empfindlicher ausgeliefert ist als im Mietshaus; wo die Bau-
weise teurer oder aber unsolider und weniger komfortabel sein muß, und wo der
Liliputgarten oft mehr Illusion als Erholung bietet.

Hier zeigt sich abermals die großartig vorausdenkende Sinnesart Gropius’, der nicht nur
in seinem Ide'alplan einer reinen »Wohnstadt von 20 000 Einwohnern«, in mehreren
Bauzeilen von Dammerstock und im Haselhorstprojekt das vierstöckige Vielparteien-
haus als ideal herrschenden Typus einführt, sondern der auch das Hochhaus von zehn
und mehr Geschossen als durchdachte Wohnform stabiliert. Mannigfache Erfahrungen
sprechen für das alte geschmähte Mietshaus, allerdings in einer wesentlich revidierten Ge-
stalt; und für Einzelwohner und kinderlose Ehepaare scheint das Hochhaus, wie es Gropius

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