Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

DOI issue:
Heft 19/20
DOI article:
Roemer, Erich: Zur Eröffnung des Deutschen Museums
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0541

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ZUR EROFFNUNG DES DEUTSCHEN MUSEUMS

Über clie am 2. Oktober feierlich eröjfneten Neubauten auf der Berliner Museumsinsel, ihre monu
mentale Form, ihren reichen Iyihalt wird noch oft debattiert werden müssen. Dem soll hier ebenso
wenig vorgegriffen werden wie dem fachlichen Urteil der Archäologen über das Pergamon-Museum,
das Vorderasiatische Museum. Die folgenden Seiten können nur von dem ersten Eindruck berichten,
den das Deutsche Museum macht.

Habemus domum — rief Adolf Harnack im März 1914 aus, als er den Neubau der
Bibliothek Unter den Linden einweihte: »in Wahrheit einen Dom der Wissenschaft,
nicht nur ein Haus«. Mit noch besserem Rechte dürfen nun diejenigen, die alte deutsche
Kunst sehen wollen, in Berlin sagen, daß sie ein Haus dafür haben. Es ist stolz, dieses
Haus, und wo berechtigter, wo besinnlicher könnte heute das geistige Deutschland
seinen Stolz zeigen als in dem bewahrenden Dienste an demjenigen, was durch tausend
Jahre deutscher Geschichte die Form deutscher Phantasie, die Gestalt deutscher Arbeit
in einem hohen und reinen Sinne gewesen ist? Daraus hat dieses Haus seine Würde.
Aber wenn Harnacks Rede damals mit einem lächelnden Hinüberblick zum Dom im
Lustgarten nicht verschwiegen hat, daß seine Bibliothek doch auch solche Art Dom
geworden sei, und wenn er inzwischen recht behalten hat mit der Klage, sein Haus
sei am falschen Orte repräsentativ, zu unpraktisch, zu eng — so dürfen wir uns freuen,
daß das Deutsche Museum, eine Schöpfung derselben Generation und ähnlicher Intention,
keineswegs ein Dom der Kunst ist. Zeigt es nach außen sein Gesicht mit der rück-
blickenden Haltung etwas unpassend zu denen, die heute jung sind und vorwärts wollen,
so ist es innen nichts als ein vielgliedriges Haus, ein eigentümliches Gehäuse mit den
Zügen deutschen Schicksals, mit allen guten und auch mit einigen Zügen, unter denen
wir leiden.

Es ist nachgerade ein Glück zu nennen, daß dies Haus überhaupt steht. Der Dank da-
für gebührt vor allem den beiden Toten: Bode, der es gewollt, dessen genialer Elan
dafür so erbittert und manchmal erfolglos gekämpft hat, und Messel, der es geplant
hat und dessen im Grunde zarter, ja zärtlicher Gesclmiack, wenn er sich schon ver-
stiegen hatte, auf pfleglichen Ausgleich reclmen durfte. Was Max J. Friedländer und
Theodor Demmler, bei dem schließlich die Hauptarbeit lag und der sie, besonders von
E. F. Bange unterstützt, zu gutem Ende gebracht hat, als Sammler und Kenner hier
geleistet haben, weiß und schätzt jeder, der in dies Gebiet auch nur hineingesehen
hat. Ihrer aller Arbeit aber, so mußte man oft fürchten, wäre vielleicht noch auf der
Strecke geblieben, wenn nicht ein Mann der klugen und geschickten Beharrlichkeit
dies Stück »Museumskrieg« liquidierte. Daß das Wilhelm Waetzoldt gelungen ist, daß
in einer schönen gemeinsamen Anstrengung die deutsche Kunst endlich unter eigenes
Dach gebracht worden ist, dafür ist Dankbarkeit und Freude ein karger Lohn. Uns,
die wir 25 Jahre dieses Museumsplanes miterlebt haben, stelit voran das beglückende
Bewußtsein: nun ist es geschafft, in leidenschaftlicher, selbstloser Hingabe an ein Werk,
das gewiß Stückwerk ist, weil es anders überhaupt nicht sein konnte. Wir haben ein
würdiges Haus deutscher Kunstwissenschaft, einer heute unvergleichlichen Kenner-
schaft, das seine Meister noch loben wird, wenn in glücklicheren Zeiten die Erben es
als Heimat bester deutscher Kunst genießen können.

Das Programm, Bodes erste Konzeption, ist jetzt in seinen Erinnerungen als Denkschrift
von 1907 zu lesen: das Deutsche Museum solle durch Inhalt und Aufstellung den
Grundcharakter der deutschen Kunst und den Zusammenhang ihrer verschiedenen Ent-
wicklungsstadien klarlegen, durch die Erkenntnis der deutschen Eigenart zur Läute-
rung und Förderung unserer modernen Kunst beitragen. Gesammelt hatte er, seit er

507
 
Annotationen