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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Roemer, Erich: Zur Eröffnung des Deutschen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0542

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1870 nur einen Holbein, keinen Dürer, nur Vereinzeltes aus dem hohen Mittelalter
vorfand, schon vieles. Aber das nannte er 1907 ausdrücklich nur den Anfang dieses
Deutschen Museums, denn er wollte, daß das Wichtigste nocli komme, und glaubte
gerade für diese Aufgabe an das weiteste Ziel, die reichsten Mittel und die besten
Kräfte. Jenes ideale Ziel ist nicht erreicht. Soll es deswegen etwa als tragischer Irr-
tum Bodes gelten? Der Grund für dieses noch so rühmliche Versagen sind und bleiben
die schicksalshaften Mächte, die sich auch gegen jenen Plan verschworen zu haben
schienen: der Tod Messels, die Tücken des Baugrundes, in dem die für den Ausbau er-
forderlichen Millionen versanken, der Krieg, die Finanzkatastrophe, aus deren Hin-
schleppen der Vater Staat die Gelder für dies allzu spätgeborene Kind nicht mehr
retten konnte.

Wer daraufhin lieute den Anspruch des »Deutschen Museums« bestreitet, weil ihm
viele große und entscheidend wichtige Stücke fehlen, weil nicht wie im Kaiser-
Friedrich-Museum die Epochen sich so überragend herausstellen, wie dort Altarkunst
und Bildnis des Quattrocento, Raffaels Teppiche, Rembrandt-Zeit und die großen
Vlamen — der sollte doch wissen, daß auch für das Deutsche Museum zwischen 1907
und 1950 Werke von ähnlichem Range erreichbar waren und nicht gekauft werden
konnt.en, als das Geld nicht da war, als der Wille der Regierenden nicht immer mehr
das Streben der Sammler stützte und weiter trieb. Was trotzdem Bode und seine Mit-
arbeiter als Sammler geleistet haben, besteht hier vor jedem gerechten Urteil. Kein
Museum der Gegenwart kann jetzt das älteste Kronjuwel der cisalpinen Tafelmalerei
in gleich vollem und vielfältigem Glanze vorführen wie die Räume der Altniederländer
in Berlin, in denen der Gewinn für Goes, die vielen unvergleichlichen Erwerbungen
an den Eycks, Roger, Geertgen, Bosch, Brueghel so schwer wiegen, daß der Verlust
des Genter Altares für diese Abteilung keine Katastrophe wurde. Die deutsche Ma-
lerei dieser Zeit in gleicher voller Bedeutsamkeit zu zeigen, ist wohl noch nicht ge-
lungen. Dürers Kirchenbilder waren längst in München und Wien gewesen, ehe Bode
den Holzschuher, Muffel, Friedrich den Weisen, Dürers venezianische Bilder bekam;
und daß kein Grünewald-Bild da ist, daran trägt das Berliner Museum keine Schuld:
seine elf Zeichnungen neben elf Dürer- und den Hoibein-Blättern aus dem Kupferstich-
Kabinett, nun im Übergang zum Kaiser-Friedrich-Museum, reden da deutlich genug.
Die Kunst des 12. und 15. Jahrhunderts in Großplastik oder Glasgemälden mit der
wünschenswerten Kraft in demjenigen Gewicht zu zeigen, das sie nördlich der Alpen
hat, das wird nach menschlichem Ermessen in Berlin nie erreichbar sein. Denn im
deutschen Koloniallande ist der Rückgriff auf ein mittelalterliches Denkmal vom Range
der rheinischen, fränkischen oder sächsischen Dome nicht möglich. Der kleindeutsche
Partikularismus (um keine anderen Untugenden zu nennen) und die »Denkmalpi'lege«
haben es jaimmer wieder vereiteln dürfen, daß auch nur Proben jener großen deutschen
Kunst im »Wasserkopf Berlin«, das heißt im Mittelpunkt von Reich und Land die innere
Größe des alten Reiches würdig repräsentieren. In dem romanischen und gotischen
Saal stehen heute zwar, gegen jenen Anspruch erstritten und behauptet, das Marien-
bild aus Glatz und der Patroklusschrein aus Soest. Aber aus der Reilie der Figuren
von derTrierer Liebfrauenkirche ist nur die Hälfte hier geblieben, und für den (Bayern
geopferten) Würzburger Kreuzgang ist derjenige der Huyseburg-Kirche aus der Harz-
gegend, so förderlich diese Stiftung war, doch kein voller Ersatz. Essenwein in Nürn-
berg hat, statt zwischen 1866 und 1890 das Germanische Museum zum zentralen
Deutschen Museum zu machen, die Millionen, mit denen er damals alles Gute dafür
liätte haben können, auf den Bau festgelegt. Und unser Unglück hat es gewollt, daß
der dort kaum wieder gutzumachende Fehler für Berlin nicht ausgeglichen werden
konnte.

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