Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (22.1930)

Meister Bertram-Altar (Detail) Abendmahl

Zu dem Beitrag: »Der neue Bertram-Altar in Hannover«

Der Bau. der einer groß gedachten, in vollem Leben stehenden Sammlung das passende
Kleid geben sollte, hat das nicht zu werden vermocht. Ob selbst Messel das ge-
konnt hätte, muß zweifelhaft bleiben. Wo sein Anteil aufhört, wo derjenige seines
Fortsetzers Ludwig Hoffmann anfängt, was dem Baubüro »zuzuschreiben« ist, das zu
prüfen wird schwerlich jemanden interessieren, der sich etwa mit der Stilkritik des
Jahres 2000 auf die deutsche Baukunst nach 1900 verlegt: denn für diese gibt es
bessere Zeugen. Hier stößt man an den Unvollkommenheiten der Durchführung, den
Inkongruenzen von Form und Inhalt sich dermaßen, daß die eindrucksvolle Konzeption
der Planung (wie sie in Messels 1907 von Bode im Museums-Jahrbuch veröffentlichten
Plänen sichtbar geblieben ist) nicht so hervortreten kann wie sie wohl verdiente. Das
liegt nicht vorwiegend an dem Kampf zwischen Bauherrn und Baukünstler, vielmehr
an der Zwie-, ja Vielspältigkeit, die in der Aufgabe begründet ist und die in den vielen
Umarbeiten sich niederschlug, doch am Ende leider so, daß die Sammlung, statt mit
schöner Leichtigkeit dies Kleid zu tragen, darin geschnürt, statt gehoben erscheint.
Alle schuldige Rücksicht auf die Mißlichkeiten der heutigen Situation, bei der man
nur an den antiken Heerscharen oder an den verführerischen Göttern von Renaissance
und Barock vorbei zur deutschen Kunst überhaupt nur vordringen kann! Man muß das
neue Museum so zu betrachten versuchen, wie man es hoffentlich bald beim Eintritt

38 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 19/20

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