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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Roemer, Erich: Zur Eröffnung des Deutschen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0546

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Schließlich auch dort, wo eine Zusammenschau von großer Kirchenkunst und der
kleinen, ja kleinsten Tafel für die Hausandacht oder für das Bildnis kein reines Er-
gebnis hat. Ist doch zwischen diesen beiden Zweckbestimmungen bei den feinst-
gewichtigen Meistern eine so deutliclxe Trennung üblich gewesen, daß Karl Voll
in seiner eigenen Pinakothek nie zu der offensichtlichen Tatsache zu bekehren war:
derselbe Dirk Bouts hat die stark sprechenden Passionsbilder und docli auch die dem
delikateren Privatgeschmack zugedachte, schon im Räumlichen reichere kleine »Perle
von Brabant« gemalt.

Daß alle solclie Bedenklichkeiten und Überbedenklichkeiten in der wirksamsten Ver-
einigung des Disparaten auf den ersten Anhieb zu überwinden sind, darf niemand
erwarten. Auch das Deutsche Museum ist ein werdendes. Es wird manches ausscheiden
rnüssen, was anderwärts organischer und passender wirkt, und seiner wesentlichen Auf-
gabe darnit nur dienen. Mit der Umgruppierung irn Kaiser-Friedrich-Museum, dessen
Niederländer-Säle jetzt in Friedländers neuer Anordnung mustergültig sich entwickeln,
wird sich vielleicht einrnal auch eine Heimkehr der Eycks und Roger und Brueghel zu
Rubens und Rembrandt ermöglichen lassen. Ein Allzuviel müßte auf die Dauer irn
Deutschen Museum Lebensluft und Wachstumsmöglichkeit trüben. Im Untergeschoß,
wohin Bode zuerst die »Kunst der Germanen von der Steinzeit bis auf die Völker-
wanderungszeit« bringen wollte, stehen Depoträume für die Plastik, an der Forum-
Front im obersten Geschoß solche für die Malerei in naher Verfügung. Und ein frei-
zügigerer Austausch zwischen den verschiedenen Berliner Häusern des Staatsbesitzes
wird hoffentlich bald, auch etwa durch Herheiziehung von Stücken des jetzigen Schloß-
museums, dazu helfen, daß die aufschlußreiche Kleinkunst des Mittelalters noch viel-
seitiger und wesentlicher sich darbietet als es schon geschieht. Denn noch liaben irn
Deutschen Museum das 12. und 15. Jahrhundert nicht die Stellung, die sie zur Repräsen-
tation des Gesamtbildes deutscher Kunst haben müssen.

Ein Museum lcann nicht alles zugleich noch alles gleich gut sein, was heute der Chor

von ihm verlangt. Und ein Museum für deutsche Kunst, diese schwer zugängliche,

noch schwerer eingängliche Kunst kann das wohl am allerwenigsten. Ein Forschungs-

institut darf es docli höchstens erst in zweiter Linie sein. Wer deutsche Plastik studieren

will, wird sich freuen, daß die Abgüsse ihrer besten Werke hier in bestern Liclite stehen,

daß nicht alle Minute ein Eisenbahnzug ihm dazwischenrattert, wie drüben bei den

Originalen des Mittelalters in ihren doch zu beschaulicher Vertiefung bestimmten

Fensterkojen der großen Säle. Jemand hat gesagt, es spräche nicht für Echtheit und

Stärke eines religiösen Gefühles, wenn es sich so leicht verletzt empfinde wie mancher-

orts in unserer Zeit^ was alles haben gläubigere Epochen in ihrem Heiligtum ertragen!

Das schnell irritierte ästhetische Gefühl eines Augenmenschen von heute, das über

das Grün einer Wandbespannung liadert, weil es (mit Strindbergs »Traumspiel« zu

reden) nicht das Grün ist, wird in dem schönsten Museum von heute nie sein ganzes

Ideal genießen. Ebensowenig kann wissenschaftliche Forschung einen Bau erstellt

denken, der alle Bildkünste in ihrer deutschen Geschichte auch nur auszugsweise zu

studieren und zu genießen gibt. Das Mittelalter muß da immer auf die Handscliriften

in den Bibliotheken, die noch stehenden Gesamtkunstwerke der Kirchen verweisen;

Spätgotik und Renaissance bedürfen ebenso des Bilddrucks in den graphischen Samm-

lungen. Ein Mittelpunkt nur kann das Deutsche Museum sein, und das ist es geworden.

Seine gelehrten Werkleute sind auch deswegen Meister, weil sie hier Beschränkung

gezeigt haben, weil sie grundsätzlich nicht mehr gewollt haben als ihr Museum leisten

kann. Im Zwange der Zeit, mit den sichtbaren Zeichen ihrer Not, konnten sie den

Beginn meistern, der das Schwerste und das Lebenschaffende ist. ,, ,,

” 5 E. Roemer

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