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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0547

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Courbet

Museum in Algier

Landschaft

RUNDSCHAU

DAS NEUE MUSEUM IN ALGIER
Gelegentlich der Jahrhundertfeier der Eroberung
Algiers hat. man ein ganz neues Museum einge-
weiht. Das Gebäude, das eine der denkbar schön-
sten Aussichten besitzt, ist der Hauptstadt eines
Landes würdig, das fast so groß wie Frankreich
ist. Bisher hat das Interesse der Einwohner mehr
dem Geschäft als der Kunst gegolten. Übrigenswar
auch vor der Eroberung Algier in dieser IJinsicht
eine der ärmsten islamischen Gegenden. Die See-
räuber, die dort hausten, kannten nichls von der
großen Überlieferung, der man in Marokko begeg-
net. Algier blickt nicht nach der Yergangenheit zu-
rück. Es ist das Verdienst des Herrn Alazard,
der als Historiker der alten florentinischen Male-
rei sich einen guten Ruf erworben liat, hier das
einzige französische Museum geschaffen zu haben,
in dem die Moderne zur Geltung kommt. In der
Plastikgalerie sind seine Absichten besonders rein
betont: Es ist genau die Galerie, die im Luxem-
bourg bestehen miißte und die leider nie existie-
ren wird. Bronzen von Bourdelle, Despiau und
Maillol bilden den Kern, und diese fast schon als
Klassiker anzusehenden Künstler werden von der
Schar derer umgeben, die jetzt in Frankreich eine
starke und gesunde, nicht wie in der Malerei pro-
blematische Schule bilden: Joseph Bernard, Nic-

lausse, Dejean, Gimond, Wlerick, Poisson, Pom-
mier, Contesse, Drivier, llalou, Arnold.

Die Malerei wirkt unausgeglichener, denn es galt,
die etwas bedenkliche Erbschaft eines früheren
kleinen Museums zu übernehmen. Es sind einige
gute Werke des 19. Jahrhunderts vorhanden: eine
kräftige und pastose Landschaft von Courbet, ein
entzückender Boudin, Bilder von Chintreuil, Ma-
rilhat, Fantin-Latour und ein reizendes Studien-
blatt von Renoir. Das tibrige gehört dem 20. Jahr-
hundert: Bonnard, Matisse, Marquet, Suzanne Va-
ladon sind vertreten, und unter den Jüngeren:
Derain, Dufresne, Ceria, Corneau, Gernez, Waro-
quier, Vlaminck, Mainssieux.

Der noch nicht verwirklichte Traum des Direktors
geht dahin, eine Abteilung des Museums den fran-
zösischen Malern des Orients zu widmen. Bekannt-
lich ist eine Neigung zum Orientalismus in unse-
rer Malerei seit der Romantik nie ganz verschwun-
den. Vorläufig ließ sich diese Absicht dadurch
verwirklichen, daß der Bestand des Museums
durch Leiligaben von Sammlern und anderen Mu-
seen bereichert wurde. So ist es gelungen, bedeu-
tende Bilder von Delacroix, Chasseriau, Fromen-
tin wenigstens zeitweise zu vereinigen. Das Mu-
seum in Reims liat ein sehr bedeutendes Stück von
Dehodencq geschickt, in dem dieser sehr ungleiche

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