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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0552

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EINE NEUE STUTTGARTER GEMALDEGALERIE
Der Raumnot der Stuttgarter Gemäldegalerie ab-
zuhelfen, ist jetzt gelungen. Die Diktatur derSpar-
samkeit gestattete nur eine Kompromißlösung. Das
ehemalige Kronprinzenpalais am Schloßplatz wurde
der Gemäldegalerie überwiesen.

Im obercn Stockwerk ließ sich durch teilweisen
Einbau von Oberlicht und Aufstocken eines grö-
ßeren Saales eine Folge einladender Räume von
durchschnittlicher Brauchbarkeit gewinnen. Hier
fanden die Werke der schwäbischen Malerei von
etwa 1860 ab bis zur Gegenwart hin Aufnahme.
Im mittleren Stockwerk konnte die Graphische
Sammlung untergebracht werden; sie gewann da-
bei einen stark vergrößerten Studiensaal.

Das Erdgeschoß konnte erst zur Hälfte in Benüt-
zung genommen werden; hier ist eingezogen, was
an neuerer Plastik (19. und 20. Jahrhundert) über-
haupt bislang gesammelt worden ist.

Dio Einrichtung des Kronprinzenpalais findet ihre
Ergänzung in der inzwischen beschlossenen und in
Angriff genommenen Neueinrichlung des alten
Museums in der Neckarstraße.

Ein Wort zur Abtrennung einer schwäbischen Ga-
lerie scheint geboten. Das Stichwort »Kronprinzen-
palais« fordert ungewollt den Yergleich mit der in
Berlin getroffenen Einteilung heraus. Dem Ber-
liner Vorbild konnte in Stuttgart nicht cinfach ge-
folgt werden, da zwei Fragestellungen recht ver-
schiedener Art in jedem Fall ihre Beantwortung
verlangten. Für die Nationalgalerie kam die Ab-
trennung einer Berlinischen, Märkischen oder etwa
Preußischen Abteilung gar nicht in Frage; in Stutt-
gart drängte sich eine derartige Abtrcnnung auf,
und es entsprach der Lagerung dcr Gegebenheiten,
diese Ordnung durchzuführen und andere Wünsche
und Möglichkeiten beiseite zu setzen. K. G. v. B.

WORMS

Am 1. Juli wurde das neue »Museum der
StadtWorms« eingeweiht.

In jahrelanger Arbeit sind die Sammlungen des
einstigen »Paulusmuseums«, vermehrt durch viele
bedeutsame Neuerwerbungen, aus dem wieder für
Kultuszwecke beanspruchten Paulusstift in das
inzwischen um- und ausgebaute ehemalige An-
dreasstift überführt worden. In dem in alter
Schönheit wiedererstandencn Kirchenraum und in
dem hcrrlichen allcn Kreuzgang kommen dio
überaus reichen und kostbaren Beständc nun end-
lich gebührend zur Geltung. Nur die vorgeschicht-
lichen, römischen und fränkischen Altertümer
nebst dem Münzkabinett sind noch nicht geordnet.
Es dürfte Spätherbst werden, bis die Gruppierung
dieser Zehntausende von Einzelstücken ganz voll-
endet sein wird.

Doch schon jetzt gibt es im neuen Museum eine
Menge interessanter Dinge zu sehen, wie die Bild-
werke und kirchlichen Altertümer im Langhaus

der Kirche, im Chor und drei unteren Turmge-
schossen, ferner die einzigartige Sammlung von
90 Grabsteinen, die, von der Römerzeit bis um
1800 reichend, im Hof und den beiden offenen
Kreuzganghallen aufgereiht sind, und die Stadt-
geschichtliche Abteilung im großen Saal auf der
Ostseite. Fertig eingerichtet sind auch die beiden
Treppenhäuser und das gesamte Dachgeschoß mit
dem wieder aufgebauten »Christophelturm«. In
hellen feingetönten Räumen ist hier, außer der
imposanten Luther-Bibliothek, das mittel-
alterliche und neuere Kunstgewerbe untergebracht.
Und gerade diese Keramische Abteilung enthält in
den alten Wormser Bodenfliesen und den rei-
zenden weißen Tonfigürchen aus dem i5. und
16. Jahrhundert ein Material, wie es kein Museum
in ähnlicher Reichhaltigkeit aufweist. Grill



MEISTERWERKE AUS DEN PREUSSISCHEN
SCHLÖSSERN

Die Ausstellung in der Berliner Akademie der
Künste, die ihre Entstehung der klugen Initiative
von Dr. Ernst Gall, dem Direktor der staatlichen
Schlösser und Gärten, dankt, vermittelt einen wun-
dervollen Gesamteindruck, der ähnlich auf Aus-
stellungen selten zu erleben ist. Der äußere Rah-
men ist diesmal besonders glücklich und die Auf-
teilung des Materials innerhalb der Räume künst-
lerisch vollkommen gelungen. Natürlich trium-
phiert die Malerei und die Möbelkunst des Dix-
huitieme und innerhalb dieser französischen Ab-
teilung ist Watteaus Firmenschild des Kunsthänd-
lers Gersaint (das letzte Gemälde von der Hand
des 87 jährig verstorbenen Malers) diegrößteüber-
raschung. Die ehemals getrennten beiden Teile des
Bildes sind nun in einem Rahmen zusammenge-
fügt und man möchte hoffen, daß sie auch in der
Zukunft, wo das Bild erfreulicherweise im Ber-
liner Schloß wieder allgemein zugänglich sein
wird, sich als Ganzes präsentieren werden. Es wäre
cin Verbrechen an dem Bilde, wollte man es je
diesem Milieu entziehen, nachdem es eben erst von
den grausamen Übermalungen der letzten Restau-
rierung befreit wurde und sich jetzt so frisch dar-
stellt, wie an dem Tag, als es Watteaus Atelier ver-
ließ. Jetzt erst, trotz der wundervollen »Einschif-
fung naclx Gythera«, die mit anderen Bildern von
Chardin, Pater, Lancret, Pesne ebenfalls in dem
gleichen Saale hängt und von Watteaus Meister-
schaft zeugt, hat man den richtigen Maßstab für
seine Größe. Welch ein Esprit der Malerei, welcb
ein Zauber in Ivomposition und Farbe. Und wie
dieser Raum außerdem seine warme Note durcb
cin Paar prachtvoller signierter Kommoden aus
der Werkstatt der besten Pariser Ebenisten emp-
fängt, so bestimmen auch sonst die Möbel, Tep-
piche, Porzellane, dazwischen hin und wieder ein
Paar Plastiken, ein Paar Vitrinen mit köstlichen
Dosen, Miniaturen und Schmuck, das Milieu im

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