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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0562

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zwar ein ganzes Kapitel gewidmet, in dem allerlei
über das Leben des Meisters und seine Werke mit-
geteilt wird, das aber doch für unser Empfinden
zu mager anmutet. Die Stilkennzeichnung: il a su
combiner le realisme des Flandres avec la gräce
un pcu idealisee des Italiens kann jedenfalls als
zureichende Deutung kaum genommen werden.
Wenn aueh sonst im Text wenig Bczug genommen
wird auf den Tafeltcil und die sehr sorgfälligen
Beschreibungen Lauers, so hätte in diesem Falle
doch unbedingt etwas iiber die Herleitung des S tils
Fouquets gesagt werden müssen. Darüber erfährt
inan — wie gesagt — merkwürdigerweise nur —
z. B. bei den Besehreibungen der Miniaturen des
mer des histoires oder der heures de Piene Chabot
usw. — bei Lauer etwas. Auch der hochbedeutende
Anonymus, der die Miniaturen zu dem Livre du
cuer d'Amour espris gemalt liat, wie sein Yerhält-
nis zu Fouquet bleibt im Dunkeln. Fouquet selbst
werden als sichere Werke gclassen die Miniaturen
zu den Antiquites Judaiques, die zum Livre d’heu-
res d’ßtienne Chevalier und zu den Statuts de
l’ordre de saint Michel.

Die Nachfolge Foucjuets und sein Hauptnachfolger
J. Bourdichon werden anschließend gewürdigt.
Mehr wie der stark idealisierende und italienisie-
rende Bourdichon fesseln die unerhört realisti-
schen (fast karikierenden) Porträts in der Chronik
des Pierre le Baud oder die hochinteressantenMinia-
turen eines Maitre Frangois von 147 3 in einer
Cite de Dieu. Auch hier zeigt der Tafelteil, wie-
viel noch für die Wissenschaft zu tun ist. Blum
sieht in Bourdichon übrigens schon eine Deka-
denzerscheinung; seine Charakteristik trifft wohl
zu: »les sujets sont froidement traites, d’une ma>-
niere conventionelle et manquent de la vie et de
I’emotion sincere dont etaient empreintes les mi-
niatures du moyen äge.« Den durch die Erfindung
der Buchdruckerkunst und die Konkurrenz der
Graphiken lieschleunigten Niedergang der Minia-
turmalerei 1 schildert das G. Kapitel. Sieht man
näher zu, gehen die Bewegungen zum Teil —
und hochinteressant — bewußt archaisierend vor,
z. B. bei den R. Testard zugeschriebenen Minia-
turen, zum Teil gewollt vergröbernd, z. B. Bre-
viaire rle Rene II., uncl schließlich manieristisch
barock, z. B. Heroides d’Ovide. Auch hier entschä-
digcn die reichlichen und vorzüglichen Abbildun-
gen und die Beschreibungen Lauers für die allzu
knapjien Darstellungen im Text. V. C. Habicht

I. FUTTERER: GOTISCTJE BILDWERKE DER
DEUTSCHEN SCIIWEIZ 1220—1440. 206 S.
Text, 329 Abbildungen auf 99Tafeln. Dr.Benno
Filser Verlag. Augsburg ig3o.

Zum erstenmal ist das sehr umfangreiche Mate-
rial der gotischen Plastik der deutschen Schweiz
in einer umfassenden Monograpliie und stilge-
schichtlichen Untersuchung zusammengestellt und

gewürdigt worden. Charakteristisch für die Plastik
der Schweiz ist das starke Überwiegen der ITolz-
plastik, der gegentiber die geringen Überreste der
monumentalen Steinskulptur, wie der in Baselund
Freiburg i. Ü., die überdies mit außerschweizeri-
scher? oberrheinischerBauhüttenplastik inengerVer-
bindung steht, stark zurücktreten.

So kommt in der Holzskulptur das Spezifisch-
Stammesmäßige zum Ausdruck. Besonders in der
seeschwäbischen Schule hat sie weit über den Rah-
men der engeren scliweizerischen Ileimat hinaus-
ragende Bedeutung erlangt. Das Schaffen der
Früh-, Iloch- und Spätgotik wird an der thronen-
den und stehenden Muttergottes, am Gekreuzigten,
an den neuen Andachtsbildern der Mystik und
schließlich an Einzelstatuen uncl an Steinskulp-
turen aufgezeigt.

Die Tätigkeit der gotischen Bildhauer in der deut-
schen Schweiz konzentriert sich vorwiegend auf
drei landschaftliche Gebiete, die Innerscliweiz, das
Bistum Basel und das schweizerischc Bodenseege-
biet.

In einem besonderen Kapitel behandelt die Ver-
fasserin die konstanzische Scliule des Meisters llein-
rich und seiner Werkstatt. Als Ausgangspunkt des
Meisters sieht I. Futterer die große Jesus-Johan-
nesgrujijie aus Kloster Katharinental, heute in Ant-
werpen, und dio Muttergottes in Katharinental an.
Im Gegensatz zur Verfasserin glauben wir aber,
für die Visitatio^aus St. Katharinental, heute in
New York, und die Sigmaringer Jesus-Johannes-
gruppe im Deutschen Museum in .Berlin die späte
Stilstufe des gleichen Meisters annehmen zu miis-
sen.

Der Anhang bringt neben zahlreichen Anmerkun-
gen, Literaturhinweisen, wichtigen Registern und
Tabellen einen wertvollen Katalog des gesamten
schweizerischen Bestandes an gotischer Skulptur.
Diese sowie die zahlreichen guten Abbildungen
machen die so gründliche und verständnisreiche
Untersuchung zu einem sehr erfreulichen, allseitig
orientierenden und unentbehrlichen Nachschlage-
werk. W. Medding

BEDA KLEINSCHMIDT: DIE IIEILIGE ANNA.
Ilire Verehrung in Geschichte, Kunst undVolks-
tum. Forschungen zur Volkskunde, herausgege-
ben von Universitätsprofessor Dr. Georg Schrei-
ber. Heft 1 bis 3. Düsseldorf, Verlag von L.
Schwann, 1930.

In diesem umfangreichen Bande wird, analog zu
Stejihan Beißels Geschichte der VerehrungderMut-
tergottes und ihrer Wallfahrtsorte, die erste aus-
führliche, wissensehaftlicli begriindete und durch
Heranziehung eines umfangreichen Materials aus
der Hagiographie, Ikonographie, Volkskunde, Li-
teratur- und Kunstgeschichte gestiitzte Darstellung
des Annakultes von seinen Anfängen bis zur Ge-
genwart geboten, die nicht nur vielcrorts die bis-

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