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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Het 21/22
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Göbel, Heinrich: Ein Cartel aus der Manufaktur des Jean-Joseph de Saint-Germain und seine Varianten: Ein Beitrag zur Frage des gekrönten C
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0584

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zeichen — ähnlich den vier Signaturen der Pariser Goldschmiedearbeiten —, will mir
nicht recht glaubhaft scheinen. Die Erklärung, die Kontrolleure hätten nur vereinzelte,
nicht alle Stücke gestempelt, ist nicht sonderlich triftig. Welchen Zweck hatte dann
die Kontrolle? Dürfte das C nicht viel eher stehen für Copie oder Copie? Die Krone
oder Lilie, die sich bei allen möglichen Marken (namentlich bei denen der Gold-
schmiede) immer wieder findet, hat nur insofern Bedeutung, als sie den obrigkeitlich
genehmigten Akt des Stanzens in der vorliegenden Form dokumentiert. E. Molinier
stützt sich bei seiner Annahme, das gekrönte C sei lediglich ein Kontrollstempel, auf
die im Laufe von drei Jahrhunderten vielfach geänderten Statuten der Bronzegießer-
zunft, die letzten Endes keine endgültige Klarheit bringen. Nicht minder heftig wogte
der Kampf der Meinungen hinsichtlich des künstlerischen Eigentumsrechtes, das in
der Satzung vom 30. Juli 1766 eine scharf umgrenzte Sicherung erhielt—um in Bälde
wieder verletzt und überschritten zu werden.

Als Ergebnis folgert, daß nur das ersterwähnte Cartel in allenTeilen aus der Werkstatt
des Jean-Joseph de Saint-Germain stammt, die beiden anderen Stücke dagegen mehr
oder weniger selbständige Wiederholungen sind. Die Figur der Diana mit dem an-
springenden Hund wurde wahrscheinlich in allenFällen von Saint-Germain gegossen —
ob auch ziseliert? Als erzeugende Werkstätten kommen, der technischen Ausführung
entsprechend, auch bei den Varianten nur erstklassige Ateliers in Frage, zumal Firmen
wie Mynuel und Gilbert sich schwerlich mit Meistern zweiten Ranges eingelassen
hätten.

Die Nachforschung nach den Werkstätten, die mit Saint-Germain in dieser eigen-
artigen Geschäftsverbindung standen, ist natürlich schwierig, nicht minder die Fest-
stellung des Bildhauers, der mit Meister Jean-Joseph so enge Beziehungen pflegte,
daß er ihn mehr oder weniger ausschließlich belieferte. Eiile gewisse Wahrscheinlich-
keit spricht im ersteren Falle für Claude-Joseph Desgodetz, der enge geschäftliche
Fühlung mit Jean-Joseph de Saint-Germain hatte, dessen Werkstatt sich nur wenige
Schritte von seiner Niederlage (an der Ecke der Sankt-Nikolausstraße) befand, der seit
1740 in steigendem Maße Uhrgehäuse fertigen ließ und selbst fertigte. Aber, wie ge-
sagt, die Annahme ist zunächst lediglich hypothetisch.

Der gleiche Werdegang — Original und Varianten —, den wir bei dem Dianacartel
verfolgten, läßt sicli übrigens mit derselben einwandfreien Deutlichkeit bei einem
zweiten signierten Stüclce Saint-Germains, der bekannten Uhr (Raub der Europa) im
Musee du Imuvre, feststellen. Von Bedeutung ist vielleicht die Tatsache, daß die das
Zifferblatt — signiert Gilles l’aine — rahmenden Zweige (unter der Figur der Europa),
einschließlich der endenden Rocaillen (über dem Rücken des Stieres) stilistisch auf das
engste mit den Blütengehängen des Cartels verwandt sind. Sollte sich in beiden Fällen
Duplessis’ Erfindungsgeist geltend gemacht haben? Auch die Europa- und die Diana-
gestalt dürften auf denselben Modelleur zurückgehen. Ob ein Schüler Falconets oder
ob Boizot in Frage kommt, wie Emile Molinier mit einem kleinen Fragezeichen an-
nimmt 1, wage ich vorerst nicht zu entscheiden.

1 Emile Molinier, Le Mobilier royal frangais au XVII e et XVIII e siecles, Paris 1902, Bd. I. »Raub
der Europa« im Louvre.

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