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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Het 21/22
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Rundschau
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RUNDSCHAU

l)AS NEUE RAUCll-MUSEUM 1N BERLIN
In der schönen Orangerie des Charlottenburger
Schlosses hat der Direktor der Nationalgalerie,
L u d w i g J u s t i, kürzlich das Rauch-Museum ein-
gerichtet. Obwohl eine französische Zeitung un-
längst mitteilte, daß man in Berlin ein »musee des
fumeurs« eröffnet habe, sei von uns festgestellt,
daß es sich dabei um das Werk Christian Rauchs
handelt, der am 3. Dczember 1867 8ojälirig ver-
starb, den seine Zeitgenossen zu den berühmte-
sten Künsllern zählten und dessen Nachlaß damals
der preußische Staat erworben hat.

Wir sehen das Werk Rauchs heute mit dem nöti-
gen historischen Abstand, und vielleichl ist es erst
jetzl nach der mustergültigen Einrichtung desMu-
seums möglich, die Fülle des Ganzen, aber auch
alle Einzelheiten dieses reichen Künstlerlebens zu
überblicken. Stelien wir den Dingen heute aucli
wesentlich nüchterner gegenüber als die verehrten
Zeitgenossen von damals, so darf doch gesagt wer-
den, daß die Werke Rauchs nicht nur innerhalb
der deutschen Plastik aus der ersten Ilälfte des
19. Jahrliunderts eine staunenswerte Höhe halten,
sondern auch jedem internatiönalen Yergleich
standhalten. Yor allem aber ist es lebendigste Zeit-
geschichte, die uns hier entgegentritt. Man emp-
findet und erlebt vor cliesen Werken ein Stück
preußischer Kultur, das Achtung verlangt, und
vielleicht ist es diesmal das bcsonders Reizvolle,
daß diese Sammlung weniger von der künstleri-
schen, um so mehr aber von der historischcn Seite
her die Menschen berührt. Jederifalls war es ein
glücklicher Gcdanke, das ehemalige Rauch-Mu-
seum aus der Klosterstraße gerade an dieser Stelle
neu erstehen zu lassen. Denn, wie Rave in seinem
Vorwort zum Katalog ausdrücklich b'etont, klingt
der Name Rauch seit iooJahren an den Sarko-
phagen des Charlottenburger Schlosses.

Allerdings ist auch dieses Museum zum weitaus
größten Teil ein Museum der Gipse. Aber hier
handelt es sich nicht um die Zentnerlasten getön-
ten Gipses, durch die die Reste von den Toren von
Milet, Priene und Babylon zusammengeleimt wor-
den sind, sondern um Originalmodelle, die einen
tiefen Einblick in die Werkstatt des Künstlers er-
öffnen. In der Mitte steht die kleine Bronzefas-
sung des Denkmals Friedrichs des Großen. Dar-
um gruppieren sicli die Zeitgenossen des Bild-
hauers, einerlei ob Ivünstler, Dichter, Gelehrle,
Generale. Ferner eine zweite Gruppe, die die an-
deren Denkmäler umschließt, die Rauch geschaf-
fen hat. Schließlich die Büsten der Milglieder des
preußischen Königshauses. Museal gewertet ist die
von Justi geleitete Aufstellung geradezu vorbild-
lich. Denn solch ein »Gipsmuseum« von innen her
künstlerisch zu beleben und für den Betrachter
mit Spannungen zu füllen, ist ivolil eine der
schwierigsten Aufgaben der sogenannten Museums-

technik. Wer nichl das nölige Fingerspilzengefühl
hat, wird eine solche Aufgabe kaum lösen. Justis
kühner Elan hat hier einmal bewiesen, was museal
auch mit bescheidenen Milleln zu erreichen isl,
wenn ein künstlerisches Gefiihl hinter den Dingen
steht. Man muß ihm auch für diese Tat von Iler-
zen dankbar sein.

Raves kluger und anregender Katalog unterstützt die
Eindrücke in vorbildlicher Form: Anstatt nüchter-
nerAngaben ein entzückender PlaudertondesFüh-
rers, den man beim Rundgang sozusagen liört, uni
eines der liebenswertesten Kapitel des alten Preu-
ßen in seinen Denkmälern zu erleben. J3ierm inn

SASANIDISCHE KUNST IM KAISEll-
FRIEDRICII-MUSEUM

Unter den Rahmenveranstaltungen der Jlundert-
jahrfeier der Staatlichen Museen verdient die von
Direktor Sarre kürzlich eröffnete Ausstellung von
Kunstwerken des sasanidischen Kulturkreises ein-
gehende Beachtung. Durch eine Reilie besonders
glücklicher Neuerwerbungen, ergänzt durch Leili-
gaben des Schloßmuseums, der Vorderasiatischen
Abteilung und des Miinzkabinetts, bietet die sasa-
nidische Sammlung mehr und mehr eine geschlos-
sene Übersicht über die künstlerische Betätigung
dieses für das mittelalterliche Kunstgewerbe wich-
tigsten vorderasialisclien Gebictes, das für alletech-
nischen Disziplinen anregend wurde. (Bauplastik,
Mosaik, Glas, Keramik, Elfenbein, Metall, Seide.)
Die Sammlung aus der iranischen Partherzeit (a5o
v. Chr. bis 226 n. Chr.), in Gestalt stattlicher
Fayencevasen und kleiner Terrakotta- und Bronze-
skulpturen (Anahit, Büste Orodes’11., 4.-6. Jahr-
hundert n. Chr. [?]), hat durch die in Bagdad er-
worbene Steinplastik einer Mondgöttin vomHaupt-
liwan, der aus der Zeit Trajans stammenden
Partherresidenz Hatra, eine wertvolle Bereichcrung
erfahren.

Diesem mehr eklektisch-hellenistischen Stil gegen-
iiber trilt die bewußt an altpersische Tradition
anknüpfende, stilistisch eigenwilligere, höfische
Kunst der Sasaniden (226—65i) bedeutsam in die
Erscheinung. Davon zeugt der im Anschluß an die
iranischen Felsreliefs entstandene plaslische Deko-
rationsstil in reich bemaltem und vergoldetem
Stuck (Fragmente von Pferden, lleitern und orna-
mentalen Wandbekleidungen jvgl. F. Sarre, Ber-
liner Museen iQa8|). Der llang zum Sinnbild wird
außer in den zahlreichen Fabelwesen (Pfauen-
drachen, ITippokampen) besonders deutlich in der
symbolischen Anordnung der Ornamentik, die sicli
mit ihren mannigfaltigen Flügelpalmetten und
Kandelabergebilden scharf gegen das barock na-
turalistische späthellenistische Ornament abhebt.
Eindrucksvoll zeigt sicli beides vereint in den
prächtigenSeidenstoffen(Abb.S.56o, Leihgaben der
Berliner Stoffsammlung) und Metallarbeiten, in

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