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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 23/24
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0656

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SAMMLER UND MARRT

DUBLETTEN DER EREMITAGE BEI BOERNER

ZurVersteigerung vom 11. —15. November 1950
Es konnte niemanden in Erstaunen setzen, daß die
Nöte der Weltwirtschaft, die schon seit längerer
Zeit im Kunsthandel eine allgemeine Depression
herbeigefiihrt hatten, sich in diesem Herbste auch
auf dem Kupferstichmarkte auswirkten. Waren
auf clen letzten Versteigerungen im Frühjahr die-
ses und im Herbst des vorigen Jalires im wesent-
lichen die Taxierungen noch für die endgültige
Preisbildung von entscheidendem Einfluß gewe-
sen und die Blätter mit durchschnittlich zwei Drit-
teln der Schätzungen ausgeboten worden, so zeigte
es sich diesmal als notwendig, die Objekte, um sie
überhaupt zu verkaufen, mit etwa der ITälfte der
Schätzungspreise auszurufen. Daß dann im Laufe
der Auktion für zahlreiche Blätter die Gebote die
Höhe der Taxen niclit nur erreichten, sondern so-
gar oft überstiegen, ist ein Beweis dafür, claß die
Nachfrage nacli cjualifizierter Ware noch groß ist.
Tatsächlich gingen gewisse Spezialitäten der Ver-
steigerung, wie das ITollarwerk aus einer engli-
sclien Sammlung oder die Folge der aus Sowjet-
besitz stammenden farbigen Städteansichten von
Anfang des 19. Jahrhunderts geradezu brülant,
und Diirer sowie Rembrandt vor allem erstaunlich
gut. .

Die in den » Vcrsteiger ungsergebn issen « des » Ci-
cerone« veröffentlichten Hauptpreise lassen erken-
nen, daß die ersten Qualitäten alter Meistergra-
pliik nach wie vor cinen reclrt guten Markt haben.
Die von dem Dürerschen »Hieronymus in der
Zelle« erreichte Bewertung ist durchaus ein Re-
kordpreis, da besonders schöne Exemplare dieses
Stückes bisher »nur« zwischen zehn- und zwanzig-
tausend Mark gebracht hatten, so 1920 bei der
Auktion Davidsohn und 1928 auf der Vente Dan-
los. Es mutet grotesk an, daß der jetzt verkaufte
Abdruck gerade vor 126 Jahren auf der Leipziger
V ersteigerung F. W. Kreuchauf mit 3 Talern i4
Silbergroschen bewertet worden war! •—

Die deutschen Kleinmeister erwiesen sich als rela-
tiv weniger gut verkäuflich als sonst, und selbst die
brillante Altdorfer-Madonna B. 17 kostetenurzwei
Drittel der Schätzung. Ähnlich lag es bei den nie-
derländischen Kleinmeistern, besonders offenkun-
dig bei dem netten Ostade-Werk, trotz reizvoller
Qualität vieler Stücke. Ebenfalls nur schwer abzu-
setzen waren mittlere Qualitäten der französischen
und niederländischen Porträtstecher, obwohl zu-
mal bei den letzteren einzelne Raritäten, z. B. von
Matham und Pontius, zu recht guten Preisen an
hoUändische Sammler gingen (Nrn. 674, 675: 420
bzw. 38o RM.; Nr. 858: 38o RM.).

Daß Amerika, wie meistens bei dcn Herbstauktio-
nen, als direkter Käufer nicht in Erscheinung trat,
schien weniger Einfluß auf die Preisbildung zu
liaben als die allgemeine »WeUkrise«. Natürlich

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blieben eigentliche Sensationen aus. Erfreulich
war, daß unter diesen Umständen mancher deut-
scher Privatsammler erfolgreich mitsteigern konnte,
und daß z.B. ausgewählte Blätter unter den Dii-
rer-Holzschnitten, von Rembrandt, Ostade sowie
der Schongauer Nr. 1011 in private deutsche
Sammlungen gelangten. Ferner, daß unter den
Käufern auch clas Dresdner Kabinett und die
staatliche Kunstbibliothek in Berlin waren. Von
auslänclischen Sammlern sah man Herren aus der
Schweiz und aus liolland, von den Händlern die
prominenten Vertreter der europäischen ITaupt-
plätze. E. Tr.

VERSTEIGERUNG DER SAMMLUNG BÖHM
Die Sammlung Max Böhm, Berlin, die vor etwa
Jahresfrist geschlossen in den Besitz der Stadt Ber-
lin übergegangen wäre, wenn die Finanzlage Ber-
lins die Erwerbung erlaubt hätte, wird am 28. Ja-
nuar j g31 durch Lepke versteigert. Von der
Qualität der Sammlung konnte man auf einer
Ausstellung in der Berliner Akademie im S0111-
mer dieses Jahres ein gutes Bild gewinnen. Sie be-
steht ausschließlich aus Werken deutscher Kunst
des 19. und 20. Jahrhunclerts, in der Auswahl etwa
von Feuerbacli und Böcklin bis zu Liebermann
und Slevogt. Die Romantik und Nachromantik ist
mit einigen achtbaren Werk en vertreten, so Feuer-
bach mit einer Fassung der Nana von 1860, Spitz-
weg mit vier Täfelchen, Böcklin mit zwei Bild-
nissen und einem Zentaurenkampf aus seiner spä-
teren Zeit, Klinger mit der Komposition »Der
Abend« (1879), Leistikow mit zwei Stimmungs-
landschaften. Umfangreicher und weitbedeutungs-
voller ist die Sammlung an Arbeiten der führen-
den realistischen und impressionistischen Aleister.
Hier fallen auf: vier Bildnisse von Leibl aus den
90 er Jahren, ein ganzfiguriges Damenbildnis von
I .rnbacli, ein männliches Bildnis von Hodler, ein
liinderbild von Sperl, ein Interieur von Uhde.zwei
Tierbilder von Zügel und clrei geschmackvolle Still-
leben von Slevogt. Die Slärke der Sammlung liegt
aber in den Reihen der ßilder von Thoma, Trüb-
ner, Schuch, Liebermann und Corinth, die die ver-
schiedenen Perioden der Meister darstellen wol-
len. Unter den acht Gemälclen Thoma’s finden sicli
so repräsentative Werke, wie der Park von Scliloß
Mainberg bei Schweinfurt (1875), der Herbsttag
am Säckinger Rheinufer (1877) und das Motiv aus
dem Schwarzwald (i8g5). Noch gerundeter ist
Trübner vertreten, von dessen Eigenart Bildnisse,
Landschaften und Stilleben aus allen Zeiten zeu-
gen. Das früheste Gemälde ist das Bildnis eines
bartlosen alten Mannes von 1870, cs schließen
sich in bunter Reihe das Selbslbildnis von 1871,
die Dame im Sessel, das Mädchen mit Pelzkrageu
und das Mädchen mit Giselafransen (alle drei aus
dem Jahre 1876), das Gemüsestilleben (1880), die
 
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