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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1917)
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Schultze-Naumburg, Paul: Die Gestaltung der Landschaft: zu der neuen Folge der Kunstwartbücher "Kulturarbeiten"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0030

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zurückkehren rnüssen, dem rauschenden Bache, dem flüsternden Walde, zu
dem gestirnten Himmel, dessen Weite und Erhabenheit uns aus klein»
lichen Alltagsgedanken erlöst und uns den Znsammenhang mit dem Ewigen
wieder nen zu fühlen gibt. Ia, je mehr die Zeit den Menschen ihre
Wohnplätze in der Großstadt angewiesen hat, um so stärker ist die Sehn»
sucht nach der Tröstung durch die freie Natur geworden. Es ist zwar ob»
jektiv nicht richtig, wenn die Behauptung aufgestellt worden ist, erst die
Großstadt hätte das Verständnis für die freie Natur geschaffen, aber es
kann nicht geleugnet werden, daß sie erst die Wertschätzung dessen, was
sie zerstörte, zu einem allgemeinen Heißhunger gesteigert hat. Es ist
allerdings gar nicht so leicht, zu sagen, worin das Wesen der landschaft»
lichen Schönheit eigentlich liegt. So weit das Gefühl eines kultivierten
Menschen auch ausgebildet sein mag, das auf die feinsten Anterschiede
reagiert, so daß es wie eine falsche Äote in einem Musikstück eine häß»
liche Erscheinung in der Natur, mag sie räumlich auch unbeträchtlich sein,
als eine Störung, zum mindesten als einen Fremdkörper empfindet, so
schwierig, ja so unmöglich ist es, einen brauchbaren Kanon zu schaffen,
nach dem die Schönheit in der Batur zu messen wäre. Bei einem tzause
gelingt es zur Not, an der tzand seiner erklärbaren Vorzüge den Beweis
seiner Vortrefflichkeit zu bringen. Wir können von seiner wirtschaftlichen
Brauchbarkeit, der tzaltbarkeit seiner Konstruktion, der Klarheit seiner
Grundrisse sprechen, sobald wir aber auf das engere Gebiet der Schönheit
kommen, muß schon stark an das dunkle Gefühlsleben appelliert werden,
das sich schlecht mit logischen Sätzen meistern läßt. Man kann zur Not
von dem behaglichen Ausdruck, der vornehmen tzaltung des tzauses spre-
chen, was ja aber schon mehr mit dem Gefühl als dem Verstande erkannt
werden muß. Bei der Landschaft aber versagt diese Art der Beweisfüh»
rung vollkommen, ja es scheint sich Logik in das Gegenteil zu verkehren.
Denn es ist dasselbe Lustgefühl, das sich bei einer drohenden Wetterwolke,
unheilbringenden Wasserwogen, zerrissenen unfruchtbaren Felsmassen,
ragendem zerstörten Gemäuer, ja einem alten verfaulenden Weidenstamme
regt, wie das bei einem in Blüte stehenden Obstgarten, dem Ährenwogen
der reifenden Felder oder im Dome hochstämmiger Buchen.

Wir wissen, daß wir jede freie Natur, und sei es die ödeste, als schön
empfinden, solange sie durchaus ursprünglich, das heißt unberührt von
Menschenhand ist. Sie kann vielleicht durch Abwesenheit von allem ge»
genständlich Abwechselnden langweilig werden. Aber auch in der größten
Einöde sorgt Gott dafür, daß der tzimmel mit seinen Wolken und seinen
Gestirnen, die Sonne mit ihrem Licht und dem Schatten der Dämmerung
da ist, und seltsame, anziehende Bilder und erhabene Erscheinungen vor
unser Auge zaubert.

Nur irrten wir, kämen wir zu dem Schluß, daß allein die Natur, so»
lange sie unberührt von Menschenhand bleibt, schön sei. Unser Buch soll
vor allem von der Schönheit der berührten Natur, ja von der vom Men»
schen umgeschaffenen Natur, dem kultivierten Lande handeln, von der wir
wissen, daß sie uns reichste Schönheit geschenkt hat. Es kommt nur auf
das richtige Zusammengehen der gesamten toten und lebendigen Natur
mit Menschenwerk an, damit die höchsten Güter unsres Landes nicht
Schaden leiden. Wir müssen versuchen, die notwendige tzarmonie be-
greifen zu lernen, die zwischen kurzen menschlichen Zwecken und einem
uns verborgenen allwaltenden Gotteswillen bestehen muß. And damit
 
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