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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI issue:
Heft 13 (1. Aprilheft 1917)
DOI article:
Schumann, Wolfgang: Zur Oper-Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0036

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weniger als das zur inhaltlosen Konvention erstarrte Hoftheater konnte
sie einer frischen Kunst zum Ausgangspunkt dienen. Die ideelle Grund«
lage war hier noch mehr als bei dem seiner Natur nach ernsthafteren
tzoftheater die Auffassung der Kunst als eines käuflichen Vergnü«
gungsmittels, dessen Pflege den Besitzenden zwar gewisse Pflichten
auferlegt, dessen Genuß aber dafür auch zu den Vorrechten der Pluto«
kratie gehört." Nach Bekker setzt sich nun dem allen gegenüber, mit tzilfe
der Kritik, eine „wesentlich andere Ansicht von der Verteilung der Rechte
und Pflichten der Kunstgemeinde wie von dem ästhetischen und sozialen
Wert des Theaters überhaupt" durch. Das zeigt sich schon in den mannig«
fachen Volksbildungbestrebungen, zum Beispiel in der Gründung von
Volkstheatern, die nach Bekker in und an sich die schärfste Kritik der Zu-
stände bedeuten. Er meint, die Volkstheater müßten eigentlich überflüssig
sein, denn die werdende „Einheitlichkeit" des Volkes müsse ihren Aus-
druck äuch in einem volkgemeinsamen Theater finden können. Die Kunst
darin wird und soll aber nicht, wie heutige Volkskunst so oft ist, allein er-
ziehlich wirkende „Bildungskunst" sein, sondern freie Kunst, die zugleich
bildet und Genuß bietet, die den Menschen „schöpferisch macht", indem
sie ihm erlaubt, „mitzuwirken am Werke^. Wird sie so als „Ausdruck
eines einigenden Gesamtwillens erkannt", so ist der Weg gewiesen: die
Stadt muß das Theater selbst unter Opfern übernehmen, ohne geschäft-
liche Kleinzügigkeit, und sie muß es einem Fachkundigen übertragen, der
es äls „konstitutioneller Führer", im Rahmen einer „Theaterverfassung"
leitet. Damit ist Das Ziel der Gesamtheit, von allen Privattheater-
Bedürfnissen abgesehen, umrissen: „in der denkbar umfassendsten Ver-
tretung zur Einheit sich zusammenzuschließen und als Gesamtheit aller
Kreise schöpferisch zu wirken. Diese Gesamtheit ist es, die sich Staats-
und Stadttheater schafft. Die hier geübte Kunst sei wahrhafter Vertreter
solcher Gesamtheit, Ausdruck ihres Willens, lebendige Gestaltung ihres
kunstschöpferischen Vermögens. So biete die Gesellschaft dem Musiker
sich dar, und er wird es ihr zu lohnen wissen."

Ich habe Bekkers Anschauungen so breit wiedergegeben, weil sie eine
vortreffliche Kritik des Bestehenden und eine wertvolle Anregung bedeu-
ten, wie denn sein von beidem überströmendes Buch Hier immer wieder
empfohlen werden soll. Seinen tzoffnungen und Plänen mich vorbehalt-
los anzuschließen, das vermag ich freilich nicht. Zwar, die Amwandlung
der tzof- in Staatstheater, eine sehr alte Kunstwart-Forderung, ist aller-
dings eine dringende Notwendigkeit, und es wäre in der Tat eine sehr
schöne tzoffnung, daß sich vielleicht die Kräfte fänden, sie zu bewirken.
Auch hinsichtlich der Stadttheater hat Bekkers Vorschlag Kraft und Ziel-
sicherheit und wahrt er die Würde der Sache. Würden aber solche künf-
tige Staat- und „echte" Stadttheater wirklich der Ausdruck gesamt-
gesellschaftlichen Wollens werden? Ilnd würden sie viele Opern auf-
führen können?

Das scheinen mir die Kernfragen.

Zur ersten will ich mich kurz fassen. Wie ersichtlich, geht Bekkers Plan
und Gesamtanschauung nicht allein und ganz besonders auf die Oper-,
sondern ebensogut auf die Schauspielbühnen, von denen es bedeutend
mehr gibt. Ich beziehe diese also in die folgenden Bemerkungen aus-
drücklich ein. And da will mir scheinen, als ob Bekker die Möglichkeit
einer künftigen Vollvereinheitlichung unsres Volkes, eine VoraussetzunK
 
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