Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1917)
DOI Artikel:
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Aus Jung-Stillings Schriften
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schöpf, wie jeder Vogel, der da in den Bäumen singt, und jedesmal seine
Nahrung findet, wenn's ihm Not tut." Stillings Herz war bei diesen
Worten so beschaffen, als das Herz eines Kindes, wenn es durch strenge
Zucht endlich wie Wachs zerfließt, der Vater sich wegwendet und seine
Tränen verbirgt.

Goethe als Helfer in der dLot

g^as Lnde der vierzehn Tage rückte heran, und es zeigte sich nicht der
^geringste Anschein, woher die siebzig Taler genommen werden solltem
Ietzt ging dem armen Stilling wieder das Wasser an die Seele; oft lief
er auf seine Schlafkammer, fiel auf sein Angesicht, weinte und flehte zu
Gott um tzilfe, und wenn ihn sein Beruf sort rief, so nahm Christine seine
Stelle ein. Endlich brach der furchtbare Freitag an, Beide beteten den
ganzen Morgen während ihren Geschäften unaufhörlich, und die stechende
Herzensangst trieb ohne Unterlaß feurige Seufzer empor.

Um zehn Uhr trat der Briefträger zur Tür herein, in einer tzand hielt
er das Quittungsbüchelchen, und in der andern einen schwer beladenen
Brief. Voller Ahndung nahm ihn Stilling an, es war Goethes tzand und
seitwärts stand: beschwert mit hundert und fünfzehn Reichstaler in Golde.
Mit Erstaunen brach er den Brief auf, las — und fand, daß Freund
Goethe, ohne sein Wissen, den Anfang seiner Geschichte unter dem Titel:
Stillings Iugend hatte drucken lassen und hier war das Honorar . . .
Stillings Freundschaft mit Goethe und der Besuch dieses letztern zu
Schönental wurde von denen, die Auserwählte Gottes sein wollen, so sehr
verlästert. Sogenannte Weltmenschen waren am öftersten die gesegneten
Werkzeuge Gottes, wenn er Stillingen helfen und belehren wollte.

Ich habe es hundert mal gesagt und geschrieben, und kanns nicht müde
werden, zu wiederholen: Wer ein wahrer Knecht Gottes sein will, der
sondre sich nicht von den Menschen ab, sondern bloß von der Sünde.

InnSrer Frieden

HWahre Ruhe findet man nur im Lande des Friedens.

^^Aber auch hier im Lande der Prüfung findet man Ruhe.

Wenn man in Dir nur lebt, in Dich sich gänzlich versenket,

Deinen Willen nur will, und immer nur das tut, was Du willst,

Immer mit unverwandtem Blick nur Dich sieht, nichts anders;

Dann wird mein ganzes Wesen mit Deinem Fleische genähret,

Ganz durchdrungen von Deinem Blut, ich werd' vergestaltet
Ganz in Deine Natur, und finde das ewige Leben.

Weltverwirrung und Welterhellung
^Menk' wie wenig du weißt, wie kurz ist dein Blick in die Zukunft!
^Millionen Dinge durchkreuzen sich immer, und wenig
Weiß die blöde Vernunft, sie irrt beständig im Dunkel.

Gar nichts weiß sie von dem, was zum Himmlischen Wesen gehöret.

Soll daher dein Wandel der großen Bestimmung entsprechen,

Immer dem Willen der ewigen Liebe gemäß sein, so mußt du
Flehend wandeln vor Gott, und beten um Weisheit und Stärke,

Selbst nichts wollen, nur immer das denken und tun, was der tzerr will,
Dann wird dich Weisheit durchstrahlen, Verstand deine Seele durchschimmern,
Dann wird dir alles zum Segen gereichen, kein Mensch widersteht dir.

26
 
Annotationen