Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1917)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Theaterkultur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0078

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zutreffend, so bedauerlich es sein mag. Es würde auch gar nichts nützen»
größere Geldmittel dadurch zu zersplittern, daß man durch Geldunterstützung
einzelne Bühnen zur gelegentlichen Aufführung bestimmter Werke an»
spornte,- dieses Verfahren würde große Summen verschlingen, ehe es eine
auch nur bemerkenswerte Anderung der Theaterjahresstatistik hervorriefe.
Grundsahlich hieße es: ein Senfpflaster auf Krebsgeschwülste legen. —
Andre Widerstände seien nur erwähnt. So ungenügende Schauspieler--
kräfte, Spielleiter, Ausstattungen, kurz ungenügende Theater; unter ihnen
hätten Werke doppelt zu leiden, deren Aufführung erst mit einiger Mühe
überhaupt durchgesetzt würde. Ferner: die Kritik, insofern sie gerade
nicht die Ideale der Gruppe vertritt, welche ein bestimmtes Werk bevor»
Zugt,- gegen sie ist so gut wie nichts zu machen (und soll auch, aus anderen
Gründen, nicht so leicht etwas zu machen sein!). Drittens: mangelnde
Teilnahme der Öffentlichkeit; diese ist sehr schwer zu überwinden, sobald
ihr, dem Inbegriff der verschiedensten Persönlichkeiten, die Teilnahme an
ganz bestimmten Dichtungarten zugemutet wird; Aufklärung, „Kunst-
erziehung" verschlingen da leicht große Mittel ohne tiefe, nachhaltige und
allgemeine Wirkung. And es gibt der Widerstände noch mehr.

Wenn trotz solcher Schwierigkeiten auch ein rein oder doch zum größten
Teile literaturpolitisches Programm zahlreiche Persönlichkeiten anzieht
und viele Unterschriften findet, so wird doch zu bedenken sein, daß „Namen^»
Beitritt und Sympathieerklärungen heute für die meisten Rnternehmungen
leicht zu haben sind. Sie verpflichten nach allgemeiner Auffassung zu nichts;
viele schließen sich nicht gern aus, wenn ein kräftiger Ruf ergeht, und
denken sich doch ihr Teil. Wenn dann die Zeit des tzandelns gekommen
ist, wenn eine Organisation etwas tut, woraus unzweideutig ihre prak«
tischen Absichten hervorgehen, „springt" man wteder „ab^ oder verhält
sich doch untätig — die Kriegszeit hat diesen Vorgang in politischen Grün»
dungen oft gezeigt. Er schädigt schwer die Kraft eines Vereins, da sich
öffentliche Erörterungen anschließen, Mißtrauen entsteht, „immer etwas
hängen bleibt". Nicht die Masse der Beteiligten gibt den Ausschlag
für die Kraft zur Tat, sondern die Einmütigkeit der Tatwilligen, die ge-
naue, einleuchtende, sachkundige und lückenlos ehrliche Kundgabe ihres
Ziels und die Fähigkeit der Leitung. Das wirbt und erhält das Ver»
trauen der Geführten zu den Führern.

Schon aus taktischen Gründen scheint daher eine engere Fassung des
Begriffs „Theaterkultur" notwendig. Mag das Ziel sein, welches es
will, der Weg geht nicht über die Literaturpolitik — nicht .über die
Spielplanpolitik —, sondern über die Neform des Theaterwesens selbst.
In ihm liegen die Ursachen der Ankultur, auch der literarischen Unkultur»
zum wesentlichsten Teile begründet. Mit den Ursachen werden die Wir»
kungen verschwinden.

Von solchen Ursachen haben wir oben, als „Widerstände" gegen eine
etwaige Literaturpolitik, einige angeführt, aber die Mängel des Theater-
wesens sind nicht auf ein paar Druckseiten herzuzählen. Vom ersten
Anfang, von der Ausbildung der Spielkräfte, an bis hin zu den Wesens«
zügen der bislang „besten" Theater, der großen tzoftheater, gewahrt jeder
Kenner eine lange Reihe schwerster Mängel der gesellschaftlichen und
technischen Theaterorganisation. Darüber besteht denn auch jene Ein»
mütigkeit, die in literarischen Fragen fehlt. Das hat — trotz aller Gegew-
sätze — die öffentliche Erörterung des Theatergesetzes schon vor dem
 
Annotationen