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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 15 (1. Maiheft 1917)
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Bonus, Arthur: Sachliche Staatsgestaltung: als Deutschlands Parole für die Völkerzukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0130

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Ist denn das von Hugo Preuß aufgestellte Scheina rrchtig: Obrig-
keitsstaat oder Volksstaat? — Wenn bei uns das Volk in feinen Wahlen
ganz unverkennbar den bewußten Willen ausdrückt, keinesfalls „demo-
kratisch" im Sinn des westlichen Ideals regiert zu werden, ist das kein
„Volkswille", der respektiert werden will? Läßt sich das nicht positiver
verstehen als dahin, daß es Mangel an politischer Gesinnung bedeute?
Weshalb ist der Staat, auf den das Volk mit solchen Wahlen hinaus«
will) kein Volksstaat? Sollte man nicht lieber zu verstehen suchen, wohin
dieser Volkswille weist?

Gesetzt den Fall, es dächte einer nicht im circulus: englische Demo-
kratie oder unwürdiges Duckertum. Gesetzt, es stellte sich einer ganz
unerhitztz einfach sachlich, die Frage: Wie läßt sich eine Staatseinrich-
tung am besten gewährleisten, in welcher die Obrigkeit rein nach sach-
lichen Gesichtspunkten leitet, also außer oder über den Parteien steht?
And sein Nachdenken käme zu dem Ergebnis, daß diese Gewähr überall
anderswo eher als in einer Parteiregierung nach englischem Schema zu
finden sei. Ist nicht in der sehr ausgeprägten Abneigung unsres Volkes
und seiner Politiker gegen das westliche Schreiertum etwas mehr zu
sehen als politische Unbegabtheit? Vielleicht sogar das Gegenteil? Zu-
mal unsre Sozialdemokratie zeigt, daß e§ uns weder an politischer Energie
sehlt, noch an der Fähigkeit, selbständige politische Organe aus uns her-
auszubilden. Aber dies alles will man in manchen liberalen Kreisen
nicht sehen. Preuß zum Beispiel, während er vermeintliche Beweise über
Beweise häuft für unsre Ansähigkeit zu selbständiger politischer Organisa-
Lion, erwähnt die ganze ungeheure Selbstorganisation des arbeitenden
Leils unsres Volkes in der sozialdemokratischen Bewegung kaum im
Vorübergehen. Wer uns vorwärts bringen will, müßte doch vor allem
unsre Positionen sehen.

Der westliche Demokratismus steht nicht vor uns am Ziel. Er steht seit-
wärts und eher hinter als vor uns. Er hat der Welt und auch uns unend-
lich genutzt, sich aber schließlich in eine Fehlrichtung verrannt, so daß die
wahre Aufwärtsentwicklung unterhalb seiner Abzweigung vom Stamm an-
setzen muß. Dies kommt in der Entwicklungsgeschichte immer wieder vor.
Es wird eine Entwicklung eingeschlagen, die zunächst prächtig voranbringt,
aber allmählich zeigt, daß sie nicht alle höchsten Möglichkeiten in sich behal-
ten, sondern das Beste abgeschnitten hat. Der Fortschritt muß dann weiter
zurück ansetzen. Es wäre ein schlimmes Geschenk, wenn wir jetzt die aus-
gepumpten Manchesterideale unsrerseits aufpflanzen wollten. Pas wäre
nicht ein Zeichen politischer Selbständigkeit, sondern das Gegenteil.

Damit aber erst hängt das wirklich Neue und Wichtige zusammen.
Die Ententevölker haben den großen Vorteil, ein Völkerideal gegen
uns aufpflanzen zu können, das allgemein anerkannt ist. tzugo Preuß
möchte uns überreden, auch unfrerseits hinter dieser Fahne herzu-
laufen. Sozusagen das Pater peccavi als Parole. Wäre wirklich
jenes Ideal ein notwendiges auch für uns, so würde es Sache des
Mutes und der wahren Kraft sein, es anzuerkennen, selbst wenn wir
dadurch in den Schein geistiger Anterlegenheit gerieten. Aber es ist nicht

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