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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 15 (1. Maiheft 1917)
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Bonus, Arthur: Sachliche Staatsgestaltung: als Deutschlands Parole für die Völkerzukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0131

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an dem. Das GegenLeil ist richtig. Aus unsern Positionen, aus Wehr-
pflicht, Parteifreiheit des Beamtentums (leider immer noch nur relativer),
sozialer Gesetzgebung, städtischer Selbstverwaltung und Gewerkschaftorgani»
sation, erwächst uns ein anderes und höheres Ideal, als es das des west«
lichen Liberalismus ist, das einer sachlichen Staatsorganisation, einer
sozialen Demokratie, zu der unser Militarismus und unser parteifreies
Beamtentum als vielversprechende Ansätze ebensogut gehören wie unsre
Gewerkschaftorganisation. Dies Ideal ist erst im Entstehen begriffen, ist
bei uns selbst, die wir seine tatsächlichen Träger sind, noch nicht genügend
klar erkannt. Darin liegt unser Nachteil im Kampf der Völkergedanken.
Dennoch ist dieses Ideal unendlich stärker und wird, wenn erst klar
erkannt, sieghafter sein als die senile theoretische Verkalkung des freien
Konkurrenzkampfs im Manchestergedanken, der, wie er innerlich nichts ist
als Legalisierung des Rechts des Stärkeren, so auch in Vergewaltigungen
und Kriegen groß geworden, vom Kriege lebt, vom wirtschaftlichen wie
militärischen.

Anendlich größer und frischerer Begeisterung fähig ist unser suchender
Gedanke der sachlichen sozialen Ordnung. Als Parole, die wir unsrer«
seits ausgeben, als Völkerbanner, das wir aufwerfen, würde er die kräf-
tigere Anziehungskraft bewähren müssen. Er würde uns genau oas
geben, was uns für den Kampf in der öffentlichen Meinung der Völker
bisher abging: eine Formel für die tzöherart, die wir erstreben, und
deren hoffnungsvolle Ansätze wir verteidigen. Er wird einst genau in
demselben Sinne den Beitrag Deutschlands zur Weltpolitik darstellen,
wie der Manchesterliberalismus den Englands. Ie freudiger und groß-
zügiger wir ihn auffassen und aufpflanzen, die Macht des starken Deut-
schen Reichs ihm zur Verfügung stellen — wie sie ihm bereits zur Ver-
fügung steht: es handelt sich nur um die offene Anerkennung einer be-
stehenden Tatsache! —, desto schneller werden wir den Nutzen ernten, den
England jetzt vom liberalen Manchesterideal hat: das Vertrauen der
Völker. Das Ideal der Zukunft gegen das Ideal der Vergangenheit!
Und jedenfalls, wenn unsre Regierung sich nicht in der Lage fühlt —
noch nicht oder überhaupt nicht —, so müssen wir, die wir frei von inner-
politischem Druck sprechen können, desto lauter sprechen.

Zumal wir damit die Rettung für unsre eigene Zukunft aussprechen.
Denn nur eine kräftige Sozialisierung kann uns vor den bösen Folgen
schützen, daß das Volk, welches gekämpft und gelitten hat, Steuersklave
wird für die Dividenden der Kriegsgewinner, derer, für die sich das Blut
der andern in Geld umgesetzt hat.

Solange die neue Parole nicht klar ausgesprochen ist, regiert eben die
alte, die englische, an welche die Seelen der Länder verkauft sind, regiert
selbst über ihre Gegner. Wie denn unser radikal-sozialistischer Flügel in
Wirklichkeit gar nicht sozialistisch, sondern manchesterlich liberal denkt und
vorgeht.

Man denke aber, um die Fruchtbarkeit und Kraft dieser Parole sich zu
vergegenwärtigen, an die jetzige russische Revolution. Noch ringen, in-
dem dies geschrieben wird, Liberalismus und Sozialismus umeinander-

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