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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
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Schumann, Wolfgang: Von kommenden Dingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0184

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Denkorganen, Blutumlauf und Tastwerkzeugen den Ball umspannt, serne
Kruste lockert und serne Krafte aufsaugt.

Vom Organrschen zum Angeglrederten führt kein Entwrcklungsweg.
Andere Organrsrerungsformen als dre der Mechanisrerung srnd denkbar;
dennoch werden auch sre stets rhrem materrellen Srnne gemäß ernen
materrellen Aufbau brlden, der Menschenkräfte sammelt, um Naturkräfte
zu bezwrngen, dennoch werden auch sre stets dem Leben dre glerche Ge«
fahr und Bedrängung breten, sosern dre Kräfte der Seele srch rhrer nrcht
bemächtrgen.

Noch rst es entschuldbar, daß dre Welt an rhrem ersten Ernhertswerke
srch berauscht, ja daß sre das materrell Erbaute als frrr den Gerst be-
wohnbar erachtet, daß sre rhr Denken und Erkennen, Fühlen und Wollen
rn den Drenst der selbstgeschaffenen Ordnung stellt. And dennoch, ob«
wohl das Gebäüde den Grpfelpunkt noch längst nrcht errercht hat, regt
srch das Gewrssen."

Das Gewrssen sMicht gegen diese Riesenmechanisierung, die eine „mate-
rielle Ordnung", „geschaffen aus materiellem Willen mit materiellen Mit-
teln" ist und „dem irdischen tzandeln eine Richtungskomponente ins An-

geistige verleiht". Ls spricht gegen die mechanistische Stimmung und

Verblendung, gegen das Streben der Zeit, „dem kein Ziel genügt und
das doch so irrational ist, daß es zuletzt die Arbeit zum Selbstzweck macht,
und so erdgebannt, datz es alles, was gleißt, vom Wege aufliest und,
mit der toten Fracht der MitLel belastet, sich zum Grabe schleppt". Es
spricht gegen die Zwangsorganisation, welche die menschliche Freiheit
verkümmert und den Einzelnen das Maß seiner Arbeit und seiner
Mühe nicht im Bedürfnis seines Lebens finden läßt, sondern in

einer außer rhm stehenden Norm, der Konkurrenz, welche Richtung

und Fassung der menschlichen Werktätigkeit im Vorhinein auf Spe-
zialisierung festlegt, mag er zur Einseitigkeit oder zur Vielfältigkeit be-
stimmt sein; es spricht gegen die Zwangsorganisation, welche dem Men-
schen das wertvolle Recht und Gefühl der Selbstverantwortung nimmt.
Stärker aber noch als gegen den Einzelzwang spricht das Gewissen gegen
den Massenzwang. Denn „nicht innere Rotwendigkeit des Mechanisie-
rungsprinzips, sondern bequem gebilligte Begleitumstände der Entwick-
lung haben die an sich unvermeidliche Arbeitsteilung zwischen geistiger
und körperlicher Leistung zur ewigen und erblichen gemacht, und so in
jedem zivilisierten Lande zwei Völker geschaffen, die blutsverwandt und
dennoch ewig getrennt, im gleichen Verhältnis wie ehedem die stammes--
fremden Ober- und Anterschichten, einander gegenüberstehen", hier tzelo-
ten, Leibeigne, tzörige, dort Scheinfreie, Mächtige, Reiche, und beide zu-
sammen ein „Brudervolk". Das Gewissen lehnt sich auf gegen Mechani-
sierung, denn sie ist nicht „aus freier und bewußter Vereinbarung, aus
dem ethisch geläuterten Willen der Menschheit entstanden, sondern un-
absichtlich, ja unbemerkt aus den Bevölkerungsgesetzen der Welt erwach--
sen; trotz ihres Höchst rationalen und kasuistischen Aufbaues ist sie ein
unwillkürlicher Prozeß, ein dumpfer Naturvorgang. Anethisch auf dem
Gleichgewicht der Kräfte, aus Kampf und Selbsthilfe beruhend, wie etwa

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