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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1917)
DOI Artikel:
Schairer, Erich: Die Reformbedürftigkeit des Kleinhandels
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0187

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Kleinhcrndel- und versuchen wrr mit ein pacrr dürren Worten und
trockenen Zahlen einen Begriff von seiner Monstrosität zu geben.

In der Äähe meiner Wohnung in Schöneberg sind drei parallel
laufende Straßen von je 500 bis 600 Metern Länge, die lediglich durch
einen Häuserblock von jedesmal etwa 50 Metern Tiefe voneinander ge--
Lrennt sind. Man kann beguem innerhalb einer Viertelstunde von jedem
beliebigen Punkt dieses Viertels an das entfernteste andere Ende ge-
langen; außerdem liegen die Straßen keineswegs an der Linie des großen
Verkehrs. In diesen drei Nebenstraßen befinden sich gegenwärtig

23 Zigarrenläden
22 Gemüseläden
2-9 Milchgeschäfte
25 Spezereigeschäfte
k5 Kolonialwarenhandlungen
Schlächterläden
und 20 Bäckerläden.

Außerdem 9 Buttergeschäfte> je 6 Geschäfte) die Spirituosen und Kon-
fitüren verkaufen; 2 Fisch- und Räucherwarenhandlungen; ^ Drogerien,
2 Apotheken, je ein Warenhaus und eine Konsumvereinsniederlage, und,
beiläufig bemerkt: ^3 Kneipen. Leer stehen zurzeit im ganzen H8 Läden.
Man vergesse nicht, daß in den Gemüse- und KolonialwarengeschäfteN)
in Milch- und Butterhandlungen zum Teil dieselben Waren feilgeboten
werdeN) so daß man berechtigt wäre, diese alle unter einen Nenner zu
bringen; dann sind es 75 Lebensmittelgeschäfte, die mir im Umkreis von
einer Viertelstunde Wegs zur Verfügung stehen, wenn ich etwa die Ab-
sicht habe, mir ein paar Bouillonwürfel oder eine Zitrone zu kaufen.

Der tzamburger Kaufmann Max Rinck, der eine Zeitschrift für die
Kakao- und Schokoladenindustrie und verwandte Erwerbszweige, den „Gor-
dian", herausgibt, hat unlängst darin eine Reihe Lhnlicher Zahlen ver-
öffentlicht. Er hat festgestellt) daß der 850 Meter lange Steindamm in
tzamburg zum Beispiel KonfiLürengeschäfte aufweist, die tzamburger
Straße im Vorort Barmbeck mit k^00 Meter Länge j5 solcher Geschäfte.
Während in tzamburg auf je 80 000 Einwohner ein Standesamt, auf je
22 000 ein Postamt, auf je ^2 500 eine Apotheke entfällt, kommt

ein Zigarrenladen auf je Einwohner

ein Gemüseladen auf je 580 „

ein Milchgeschäft auf je 720 „

ein Kolonialwarengeschäft auf je 620 „

ein Bäckerladen auf je 500 „

ein Schlächterladen auf je k000 „

In Berlin sind ^300 Zigarrenläden und ^200 Milchgeschäfte. In dem
zehnmal kleineren Stuttgart sind kürzlich M0 Milchgeschäfte gezählt wor-
den, von denen vier Fünftel täglich nicht einmal k00 Liter Milch um-
setzen. Die Zahlen ließen sich vermehren, aber das Bild bleibt für alle
großen Städte und für einen guten Teil der kleineren und kleinsten das-
selbe: zehn Stellen leisten die Arbeit, die eine Stelle bewältigen
könnte! Zehn Betriebe mit Miete, Beleuchtung, tzeizung) Arbeitslöhnen
und Betriebsgewinn müssen von der Gesamtheit der Verbraucher unter-
Halten werdeN) wo einer genügte; und statt daß ein solcher Betrieb ganz
beschäftigt ist, sind zehn zu einem Zehntel beschäftigt.
 
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