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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
DOI Artikel:
Schairer, Erich: Die Reformbedürftigkeit des Kleinhandels
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0188

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^)inck erzählt, wie bis zur Einführung der Gewerbefreiheit in seiner
^^Vaterstadt der Kolonialwarenhandel von zwei Kaufleuten mit einem
Preisaufschlag von v. H., nachher von acht Kaufleuten mit einem Auf«
schlag von 25 v. H. besorgt worden sei. Er berechnet, daß diese Zersplitte»
rung für den Verbraucher im Durchschnitt heutzutage eine Warenver-
teuerung von 50 v. H. bedeutet; ein anderer Kaufmann, Vögele,
von dessen Schrift „Volksschädigung durch den tzandel" wir kürzlich ein-
mal redeten, kommt zu demselben Ergebnis. Wenn von den ^300 Zigar-
renläden in Berlin ^000 eingezogen würden, so würden sich die Berliner
Raucher immer noch in aller Bequemlichkeit mit Rauchstoff versorgen
könneN) und die Verteilungskosten, die heute (00 v. tz. und mehr erreichen,
würden auf oder 5 v. tz. sinken (Rinck). Bestünde anstatt des zersplit-
terten Kleinhandels für alle Verbrauchsgüter eine geregelte Verteilungs-
anstalt nach dem Vorbild von Bahn und Post, meint Rinck, so würde
bei einem deutschen Iahresumsatz von ^O Milliarden Mark Erzeuger-
wert und heutigem Verbraucherpreis von 80 Milliarden Mark eine jähr -
liche Ersparnis von mindestens 25 Milliarden Mark her-
auskommen, die bei einer etwaigen staatlichen Regelung der Verteilung
der Allgemeinheit zufließen könnten, ohne daß der deutsche Verbraucher
für seine Bedürfnisse höhere Preise zu bezahlen hätte. Man mag über
den Wert dieser Zahlen denken wie man will — daß das Verhältnis da-
bei richtig angegeben ist, wird man einem erfahrenen Kausmann wie
Rinck glauben dürfen. And „solange es in einer Wirtschaftsgemeinschaft
Erzeugnisse gibt, die auf dem Wege vom tzersteller zum Verbraucher um
mehr als ein Viertel, bisweilen um die tzälfte, gelegentlich auf das
Doppelte des Preises sich verteuern, ist das tzandelssystem tief
reformbedürftig". Diese Schlußfolgerung wird mit Walter Ra-
thenau („Von kommenden Dingen", S. (37) jeder unvoreingenommene
Beobachter und Beurteiler ziehen müssen.

dffber die Belastung des Verbrauchers ist vielleicht, wenn wir tiefer
^blicken wollen, nicht das Schlimmste. Es ist die Vergeudung
von Arbeitskräften, die, wieder mit Rinck zu sprechen, Schein-
arbeit leisten, statt produktiv tätig zu sein. Um die ^OOO überflüssigen
Zigarrenläden zu reinigen, sind an jedem Morgen ^OOO Scheuerfrauen
nötig. In jeder Woche müssen ^OOO Schaufenster geputzt werden; an
jedem Abend brennen darin 20 000 bis ^OOOO Flammen und ^OOO Ofen;
7000 bis 8000 Verkäufer und Boten werden in den ^OOO Läden beschäf-
tigt; die Einrichtung der ^OOO Läden braucht ein tzeer von Tischlern,
Mechanikern, Schlossern, Klempnern, Malern, Tapezierern usw.; an der
Straßenfront sind ^OOO kostspielige Glasschilder angebracht, die angefer-
tigt werden mußten. Die hierbei ausgegebenen Kräfte könnten von dem
Tage an erspart werden, an dem der Kleinhandel mit Zigarren nach dem
Bedürfnis geregelt worden wäre (Rinck im „Gordian", Märznummer (9(7).

Oder hören wir noch einmal Walter Rathenau in seiner kürzlich er-
schienenen Broschüre „Probleme der Friedenswirtschaft" und in seinem
neuen Buch („Von kommenden Dingen"). „Sie betreten die Straße und
erblicken einen Zigarrenladen. Sie gehen Hundert Schritte weiter: aber-
mals ein Zigarrenladen. Und alle hundert Schritt ein Iigarrenladen.
Was bedeutet das? Das bedeutet, daß die Arbeit eines Armee-
 
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