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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 16 (2. Maiheft 1917)
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Frankenberg, ... von: Zur Entwicklungsfrage Europas
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0192

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und aneinander angepaßt sein müssen. Verfolgen wir die Geschichte einer
zusammengesetzten Maschine, wie des Fahrrads oder der Lokomotive, so
sehen wir, daß die Veränderungen, welche sie betrafen, hauptsächlich in
einer Verschiebung des Verhältnisses ihrer Teile bestanden und darauf
hinausliefen, ihre innere Reibung möglichst zu verringern. Auf dieser
inneren Amordnung beruhen alle Verbesserungen der Maschinenstruktur,
jede von ihnen war bestimmt durch die Rücksicht auf das Ganze, dessen
Leistungsfähigkeit sie erhöhte und dessen zwecklosen Energieverbrauch sie
verringerte.

Es ist nun die Frage, ob der Organismus Luropa imstande sein wird,
die erforderliche Strukturverfeinerung zu erwerben. Es ist eine Lebens--
frage für dieses politische Gebilde, wie natürlich auch für alle Staaten, die
es zusammensetzen. Ein Organismus, der sich nicht, oder nicht schnell genug
anzupassen versteht, verfällt der Vernichtung oder dem Siechtum.

Die Vorhersage, die wir über den wahrscheinlichen Verlauf des tzei-
lungsgeschehens machen können, lautet nicht ungünstig. Ein Vergleich mit
den inneren Kämpfen, die der Einigung Deutschlands und Nordamerikas
vorhergingen, drängt sich auf. Bezüglich der Schnelligkeit freilich, mit der
die Einigung sich im vorliegenden Falle vollziehen wird, liefert uns die
Erfahrung keine Anhaltspunkte. Es ist das erste Mal, daß der Zusammen-
schluß so vieler und so großer SLaaten zu einer höheren Einheit als eine
dringende Forderung auftritt. Wir können nur aussagen, daß diese For-
derung in der Richtung der bisher tätig gewesenen natürlichen Entwick-
lung liegt, welche dahin ging, innere Widerstände auszuschalten, inneres
Geschehen möglichst reibungslos und den Kreis der harmonischen Beziehun»
gen immer weiter werden zu lassen. —

Ein Blick auf die Folgen, die ein Zusammenschluß der Staaten von
Europa dereinst haben wird, läßt uns eine Reihe sehr großer Vorteile er«
kennen. Als die wichtigsten erscheinen die tzerabminderung der Rüstungs«
lasten und der hemmungslose Austausch der Kulturgüter. Dazu kommt
noch ein besonders großer Gewinn insofern, als die dann zum erstenmale
greifbar verkörperte Macht des vereinigten Luropas zur Verteidigung der
Rechte dienen wird, welche die europäische Rasse jeder andern gegenüber
hat. Die Vertretung Europas der übrigen Welt und besonders der gelben
Rasse gegenüber ist eine Aufgabe, die von Iahr zu Iahr dringender wird.

Sichert sich Europa diese Vorteile, die sowohl den Einzelstaaten wie
ihrer Gesamtheit zugute kommen werden, so war der Krieg nicht nutzlos.
Und von dem Augenblick an, da die führenden Männer Luropas den Wert
und die Erreichbarkeit des Hier besprochenen Zieles erkennen und nach ihm
zu streben beginnen, wird er auch nicht mehr zwecklos sein. Bisher
war er das allerdings, er war ebensosehr tückischer Zufall, wie jede
Krankheit, die einen Organismus befällt. Aber die Bestimmung des
Menschen ist es, „Iufälle" zweckmäßig zu benutzen. Ein lüchtiger Arzt
wird die Krankheit, die den Kranken gegen fernere Ansteckung immun
macht, nicht nur für ein Abel halten. Was dieser Erkenntnis ihre wer-
bende Kraft gibt, ist die Genugtuung darüber, dcch so die ungeheuren
Opfer an Ordnung und edelstem Blut nicht vergebens gewesen sind, son-
dern der Zukunft unsres größeren Vaterlandes Europa dienen werden.

von Frankenberg
 
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