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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 17 (1. Juniheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0277

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im Walde heimischen Pflanzenfor-
men zu beachten und die wichtig-
sten Ankräuter, die an den Rän-
dern der Felder unsrer tzand er-
reichbar sind, unterscheiden zu
lernen.

Die Vrennessel gehört zu
den wichtigsten Wildgemüsearten.
Durch ihre unfreundlichen Eigen-
schaften ist sie jedermann bekannt;
die Witteilung, daß sie eßbar ist,
begegnet aber immer noch völlig
unberechtigtem Mißtrauen. Im
Frühling sind die fingerlangen
Pflanzen mit Stumpf und Stiel in
der Küche zu verarbeiten, später
wenigstens die Triebspitzen. Für
die Nessel wie für die anderen, im
folgenden genannten Gemüse gilt
die Negel, daß ihre Zubereitung
nach Spinatart immer die zweck-
mäßigste bleibt: je weiter wir die
Zerkleinerung des Pflanzenmaterials
gehen lassen, um so besser die Aus-
sichten für die Ausnutzung der Ge-
richte bei der Verdauung.

Die Melde — richtiger die ver-
schiedenen Meldearten unsrer ein-
heimischen Flora — sind, abgesehen
von einer durch häßlichen Geruch
auffälligen Form — eßbar. Der
Botaniker weiß, daß sie in naher
Verwandtschaft zum Spinat stehen;
diese Verwandtschaft äußert sich auch
in ihrem spinatähnlichen Geschmack.

Der Reihe der Doldenblütler,
die uns Kümmel und Petersilie,
Möhren und Sellerie liefert, ent-
stammen zwei sehr wichtige Wild-
gemüse, der Giersch (oder Geiß-
fuß) und die Värenklau. Beide
geben uns eßbare Blätter. Der
Giersch ist jedem Gartenfreunde als
„lästiges Ankraut^ bekannt; wir
wollen künftighin seine Bekämpfung
auf dem Wege über Küche und
Tisch betreiben: die Blätter des
Giersch sind selbst im Sommer noch
zart und schmackhaft. In der gro-
ßen Zahl der mir bekannten Wild-
gemüse rechne ich ihn zu den wohl-

schmeckendsten. Die Bärenklau, deren
junge Blätter samt Stielen genossen
werden können, ist sehr milde im
Geschmack und wird vielleicht diesem
und jenem erst nach Zusatz eines
Gewürzes zusagen.

Dasselbe gilt für die Stern-
miere, ein weitverbreitetes An-
kraut, das auf manchen Ackern in
schier unglaublichen Massen geern-
tet werden kann.

Ich nenne ferner das Gänse-
blümchen, dessen Blütenköpfe
samt Stielen zu Spinat, mit Mehl
oder Kartoffeln zu Klößen oder zu
andern Gerichten verarbeitet werden
können, nachdem uns die winter-
grünen Blätter in der kalten Iah-
reszeit zu billigem Salat verholfen
haben.

Als Salat spielt der Löwen-
zahn namentlich in Frankreich eine
große Rolle; viele große deutsche
Städte bringen ihn ebenfalls auf
den Markt. Die gebleichten Triebe
sind freilich zarter als die normalen
grünen, welche die Natur liefert;
aber auch diese sind eßbar und
schmackhaft. Daß der bittere Ge-
schmack, der vielen Zungen sehr be-
hagt, anderen weniger zusagen will,
soll nicht verschwiegen werden. Auch
als warmes Gemüsegericht — nach
Spinatart hergestellt — schmeckt Lö-
wenzahn oft noch bitterlich, aber
vielen Gaumen gut.

Roch sehr viele andere Pflanzen
sind eßbar, nicht wenige unter ihnen
sogar hervorragend schmackhaft. Das
gilt zum Beispiel für das Wiesen-
schaumkraut und den tzuflattich,
deren eigenartige Geschmackstoffe so-
gar das Interesse unserer Fein-
schmecker finden werden.

Als Teepflanze bekannt, vor
allem aber als Gemüse sehr be-
achtenswert ist die Schafgarbe,
deren Blätter man wiederum wie
die des Spinats bearbeite. Im
Rheinland, in Bayern und ander-
wärts längst als Delikatesse ge-

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