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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI issue:
Heft 18 (2. Juniheft 1917)
DOI article:
Weltpolitisches: Bücher der Zeit 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0309

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eigenen Bedürfnissen und zur Weltpolitik zu bauen versuchen. (Ls müssen
also die sogenannten anthropogeographischen Verhältnisse der Lage und
des Milieus des Landes und Staates mit ihren determinierenden Wir-
kungen die Grundlage jeder solcher Betrachtung bilden. Nur dann kann
man ein richtiges Urteil bilden und einen möglichst richtigen Weg in der
Politik einschlagen. Wie dabei die Diplomatie sich ausspricht und welche
Wege sie befolgt, dies müssen lediglich Fragen der kleinen Staatsstrategie
sein..." Was danach den Lesern der Chroniken der „kleinen Staats-
strategie" — solche sind unsere Geschichten allzu oft — zunächst fehlt, ist
der „Blick auf die Karte"; nicht jener oft angeführte eine Blick, der an-
geblich alles sagt, sondern der ständige, zur Gewohnheit gewordene Blick
auf sehr viele Karten. Denn um den Raum auf der Lrde geht zum
großen Teil das politische Spiel; ein tzauptteil der Politik ist (nach
Kjellen) die „Geopolitik". Neben dem Blick auf die Karte aber ist der
Blick auf die Tabelle wichtig. Denn wiederum ist es nicht der bloße Naum,
um den gespielt wird, sonst könnten sich alle Lrdvölker einstweilen an
den Polargegenden räumlich genug tun; sondern der Raum hinsichtlich
seines Wertes kommt in Betracht. Den Wert aber bestimmt wieder
nicht nur der absolute wirtschaftliche Wert oder Produktenreichtum, son-
dern auch der relative Wert, den seine Erzeugnisse für einen bestimmten
Staat haben. Dazu kommt als werterhöhend oder wertmindernd noch seine
Beherrschbarkeit, seine Entfernung vom Staat in Betracht. Mit andern
Worten: die weltwirtschaftlichen Interessen gehören zu den stärksten
Beweggründen der Politik. Ich werde daher nacheinander ein Karten-
werk und ein weltwirtschaftliches anzeigen. Zuvor sei aber eine Erinne-
rung an ein Buch erlaubt, das den bedeutsamen Rnterschied zwischen „der
diplomatischen Fingerfertigkeit bei der Eröffnung (oder der Vorberei-
tung. D. V.) des Spiels" und den „Aufgaben des Spiels", den Anter-
schied zwischen dem politischen „Werk einzelner Menschen" und den „trei-
benden Kräften hoch über — oder tief unter — den tzäuptern der Men-
schen, Kräften, die sich in tatsächlichen Zuständen und dem Zusammen-
hang der Dinge äußern", grundsätzlich ins Licht rückt. Es ist das Ver-
dienst N. Kjellens, in seinem Buche „Die politischen Probleme des Welt-
krieges" mit Nachdruck und hinreichend ausführlich die Konflikte ge-
schildert zu haben, die sich aus räumlichen, wirtschaftlichen, nationalen,
rassischen und gesellschaftlichen Gegensätzen zwischen den Mächten er-
heben. Ganz diesen zugewandt, geht Kjellen gar nicht sonderlich auf
geschichtliche Einzelheiten ein (obwohl er sie natürlich hinreichend be-
herrscht und dies auch zeigt), sondern er zergliedert die Weltkriegserschei-
nungen einfach hinsichtlich ihrer so bestimmbaren „geopolitischen", „ethno-
politischen", „soziopolitischen", „verfassungs- und kulturpolitischen" ^ Be-
deutung und Motivation. Daß er den oben behandelten „Anterschied"
nicht allenthalben theoretisch-abstrakt erörtert, sondern einfach der üb-
lichen politischen Schilderung seine eigene gegenüberstellt, daß er also
Tatsachen und Wesenheiten vorführt und daß er sie überdies sehr an-
schaulich und wohlgeordnet vorführt, bildet den unvergleichlichen Eigen-
wert seiner Schrift, die mir persönlich als die bedeutendste Weltkriegs-
schrift schlechthin erscheint._(Schluß folgt)

* Ich habe oben nur die geopolitischen und soziopolitischen Grundlagen der
Politik herausgehoben, nicht weil ich die anderen unterschätze, sondern weil zu-
sammenfassende Werke über sie aus neuerer Zeit nicht vorliegen.

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