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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1917)
DOI Artikel:
Weltpolitisches: Bücher der Zeit 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0308

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Das politische Arteilen verbietet sich auch Hashagen nicht, aber er be--
gründet seine Ansichten scharf und klar. Und die beste Art des Arteilens
übt er am rneisten: eine kluge, fast möchte ich sagen: packende Stoff--
anordnung; aus dem bloßen Verfolgen dieser Darstellung, die so ge--
schickt Tatsache an Tatsache reiht, gewinnt der Leser Einsicht und Äber«
sicht. Ganz glänzend sind vor allem seine kurzen, durchsichtigen, erschöpfen«
den Analysen diplomatischer Verhandlungen, wie der in der Marokko-
krisis oder der deutsch-englischen Verständigungszeit geführten; sie klärerr
nicht nur den Sachverhalt, sondern auch seine weltgeschichtliche Bedeutung.
Meisterlich ist auch die klare sprachliche Behandlung des Stoffes: auf
278 Seiten teilt tzashagen vielleicht fünfmal so viel Wesentliches mit als
tzerre. Auch inhaltlich hat dieses Werk bedeutende Vorzüge. Einmal den,
daß es wirklich Weltpolitik enthält, nicht nur europäische. Iede politisch
wichtige Begebenheit, mag sie sich nun auf Ostasien, die Kolonialreiche
oder irgendeine „entlegene" Frage beziehen, wird berücksichtigt. Das
weitet den Blick und stellt den Leser auf den Biesenzusammenhang der
Weltkriegsursachen ein. Dann den, daß es mit schließt. Allzu

viele, auch Herre, geben den politischen Ereignissen des Kriegsausbruchs
entweder zu viel Raum: dann verlieren sie sich im Gegensatz zur Vor-
geschichte in Einzelheiten des Anlasses, deren Betonung nur die Be-
deutung der Rrsachen abschwächt — oder zu viel Scheingewißheit:
denn trotz aller Dokumente ist die Zeit für wissenschaftliche Behandlung
dieser Vorgänge noch nicht gekommen. Nach alledem ist tzashagens Vor-
geschichte vielleicht die gelungenste, die wir bis heute bekommen haben.
Ob das ganz in Präsenzform geschriebene knappe und trockene Buch, das
rein und streng politisch ist, auch entsprechend beliebt werden wird, bleibi
abzuwarten. Ganz gewiß gehört es nicht in die Sammlung „Aus Natur
und Geisteswelt", die nach Teubners Ankündigung „Einführungen", nichi
„Auszüge^ enthalten soll. Es ist das Musterbild eines fachwissenschaft-
lichen Auszuges und ist selbst dem gut Unterrichteten, zum Leil weil ein
Register fehlt, nicht immer leicht zugänglich.

Eine eigentümliche Gefahr liegt im politisch-geschichtlichen Studium
auch dann, wenn es mit tzilfe so vortrefflicher Werke wie des eben ge-
nannten betrieben wird: die der Vereinseitigung und Verengung des
politischen Denkens. Das, was die meisten unserer politisch-geschichtlichen
Darstellungen vorzüglich berücksichtigen, ist der Ausdruck gewisser In-
teressen der Staaten und sind die Mittel, die sie anwenden, um ge-
wisse Zwecke zu erreichen. Nun sind aber weder jene „Interessen" noch
diese Zwecke in allen Fällen Iahr für Iahr die gleichen, und ebensowenig
decken sie sich notwendig mit den wirklichen Interessen und Zwecken
der Staaten, da ja auch die Staatenlenker keine Götter, sondern dem Wahn
und dem Irrtum unterworfene Menschen sind. Endlich mag es Staaten
geben, die grundsätzlich die Wahl haben, je nach den Amständen ver-
schiedene Zwecke zu verfolgen, die beide wirkliche Interessen in sich schließen.
Prof. Sphyris sagt darum über das politische Studium vollkommen zu-
treffend: Weder die aktiven Politiker noch die einfachen Forscher dürfen
bei der Betrachtung der Politik eines Staates ihre Aufmerksamkeit aus-
schließlich auf diplomatische Dokumente, Berichte und Besprechungen len-
ken; „sie müssen im Gegenteil zuerst und hauptsächlich auf den Grund-
lagen der tatsachlichen Verhältnisse und der physiologischen Tendenzen
des Staates und auf denjenigen seiner Lage zu den Nachbarn mit ihren

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