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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,3.1917

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Heft 18 (2. Juniheft 1917)
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Oestreich, Paul: Verbraucherkraft gegen Verbrauchernot
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https://doi.org/10.11588/diglit.14297#0321

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rrchtigen Gebrauch eintreten. Die Städte müssen gehalten sein, eine ver«
nünftige Vorratswirtschaft zum ausgleichenden Verkauf in Zeiten
der Not, für den Bedarf ihrer Armen, zur Versorgung ihrer Kranken«
häuser usw. zu führen. In der Brot-, Fleisch--, Kartoffel«, Milchbewirt»
schaftung wird sich eine gewisse gemeindliche Eigentätigkeit nicht um«
gehen lassen. Lebensmittelämter werden, unter tzeranziehung des
tzandels, durch langfristige Lieferungs« und Preisabmachungen mit den
Landwirtekörperschaften die Versorgung der Bevölkerung regeln müssen,
zu beiderseitiger Sicherung. — Die Konsumentenkammern können
aus ihren Vereinen heraus leicht „tzelfer^listen aufstellen und ein«
reichen, damit die Behörden für soziale Feststellungen und Beaufsichti«
gungen das nötige ehrenamtliche Personal erhalten. Ohne solche tzelfer
kann die Innehaltung gewerblicher und sozialer Gesetze und Verordnungen
oft weder überwacht noch erzwungen werden, und dann wird mehr der
behördlichen Autorität als den sozialen Schäden Abbruch getan. Nichtig
geschulte tzelfer erreichen auch häufig mehr als Polizeibeamte, denen
gegenüber sich das Publikum solidarisch fühlt; man muß sie nur nicht
zu Statisten herabwürdigen, die endlich kopfschüttelnd eifersüchtigen Stadt«
räten das Feld überlassen, man muß ihnen hinreichendes Schutz« und
Exekutivrecht geben. — Wucher, Kettenhandel, Fälschungen, Annoncen«
schwindel werden verfolgt, der Prüfungszwang für „Ersatz^mittel wird
durchgesetzt, für soziale Käufersitten, richtige Verwendung der Waren, Ab-
fälle und Äberreste wird durch Kurse, .Merkblätter, Vereinsvorträge, Schul-
beeinflussung gesorgt, das Borgsystem bekämpft und die Erziehung
des Massenverbrauchs zu vorbildlichen, von Vernunft und Kultur
geprägten Formen wird durch Wanderausstellungen, Führungen, Ouali-
täts-„Musterkataloge^ angestrebt. Das alles gilt auch für die Kleidung und
die Wareneinkäufe des weiteren kulturellen Lebensbedarfes. Damit kom-
men wir von den Real- zu den Kulturgütern. Die Bekämpfung
übler Kino-, Alkohol- usw. „Kultur^, die Verbreitung anspruchsloser, aber
ehrlicher „Bildung^, eines guten Typengeschmacks (Wettbewerbe um Mas-
sentypen), also eine Wegbahnung zu einer gedeihlichen Durchwirkung der
Masse mit einer von Großsprecherei freien Volks-„Kunst" und „Kultur,
das alles wären nur notwendige Fortsetzungen jeder ernsten und konse-
quenten Verbraucherbewegung. Sie müßte dabei natürlich mit den ernst-
haften Kulturbünden, wie Dürerbund und Werkbund, sozial-kulturellen
Reformvereinen, wie dem Deutschen Käuferbund, und den Kunst- und Volks-
bildungsvereinen tzand rn tzand gehen. So könnten sie durch Zusammen-
fassung und Einstellung Vergeudung kostbarer Arbeit vermeiden und
doch viel weiter greifen und wirken. In diesem weiten Kreise müßte auch
möglich sein, die nötigen Summen zur Gründung von Volkstheatern und
Volkshäusern aufzubringen.

Natürlich darf eine wirkliche Verbrauchervertretung nicht engherzig sich
auf den Bereich der unmittelbaren persönlichen Bedarfsbefriedigung be-
schränken. Sie muß sich auch um die Grundlagen des allgemeinen staats-
bürgerlichen und produktiven Daseins kümmern. Die Besteuerungs-
methoden sind von sehr schwerwiegendem Einfluß auf die Lebens-
bedingungen der Verbraucher. Deshalb müßten die Verbraucherkammern
vor der Einbringung oder dem Erlaß wirtschaftlicher Gesetze und Ver-
ordnungen, insbesondere bei der Ausarbeitung von Steuer- und Zoll-
gesetzen, gehört werden. Sie könnten ihren Druck wirken lassen in der

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