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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0068

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Lieber Herr Mies van der Rohe!

Nun verstehe ich Sie erst ganz und sehe, daß Sie durchaus recht haben, — daß wir
aber auch fast genau das gleiche meinen. Auch ich glaube, daß ebenso wie das
Ungeformte Nichts das Übergeformte Schein ist, und daß es wirkliche Form nur
da gibt, wo wirkliches Leben ist. Leider können wir unsere Zeilschrift nicht die
„wirkliche Form" nennen — sonst wären wir wohl ganz einig. Aber auch so hoffe
ich, daß es gelingen wird, in der „Form" für die „wirkliche Form" zu werben
und nicht nur die Unform, sondern auch das Übergeformte aus ihr fern zu halten
oder doch nur mit Kritik aufzunehmen.

Herzlich grüßend
Ihr
Riezler.

Hermann Obrist f

Hermann Obrist ist 63 jährig in München gestor-
ben. Der Werkbund hat allen Grund, dieses
höchst charaktervollen Mannes zu gedenken. Von
dem, was er geschaffen hat, wird vielleicht nicht
vieles Bestand haben; er war ein Kind jener Zeit,
die den ..Jugendstil'' geschaffen hat und die ihn
wieder untergehen sah. Aber er war ein Denker
von größter Kühnheit und Eigenart, er hat in
einer Umgebung, die durchaus traditionsgläubig
war, vielleicht als einer der ersten die Anzeichen
einer entscheidenden Zeilwende gesehen, er hat
oft im Wort, vielleicht auch in der Schrift, das
Ende der Epoche einer „anthropozentrischen"
Einstellung verkündigt und ist damit dem Denken
der meisten andern vorausgeeilt. Zudem war er
einer der größten Idealisten und reinsten Men-
schen dieser Zeit, und er hat kein Kom-
promiß und kein Paktieren mit dem Nutzen und
mit den Mächten des Tages gekannt. Der Werk-
bund sollte es sich angelegen sein lassen, daß die-
ser Mann nicht in Vergessenheit gerät. Er ist ja
schließlich auch der erste Deutsche gewesen, der
die Formen des neuen Kunstgewerbes der Öffent-
lichkeit gezeigt hat. /?.

Zur Bauplastik

Kampf gegen Flachdachbaulen und Kampf gegen
plastiklose Architektur! - Eine Parallele, und

soweit nicht Konjunkturnöte dahinter stehen, bei-
des gleich ernst zu nehmen. An den Strohhalm
klammert sich die ertrinkende „Seele". Es ivar
doch einmal so schön: das hohe steile Dach und
ebenso das lebendige Gemäuer des Backsteindoms.
Läßt Höger dieses nicht wundervoll auferstehen,
in seinen Oldenburger Klinkerflächen und
-muslern, in seinen Pfeilern, die auf den Photos
würdig erscheinen, das ehrfurchlgebietende Innere
einer alten Backsleinkirche zu zieren? und die
sich ach! nun mit der Außenecke einer nüchter-
nen Fabrik begnügen müssen? Armer Kirchen-
pfeiler! „Duftstoffe" werden jetzt vielleicht hin-
ter dir fabriziert, kein Weihrauch umduftel dich,
aber der Architekt liebt dich nicht minder, so
sehr, daß er über deine Prostitution hinwegsieht
und — dich sogar selbst noch tiefer in sie hinein-
stößt, indem er dich schminkt, dich ins Expressio-
nistische auf neu arbeitet.

„Beize der Oberfläche" — ob die alten Goliker
wohl jemals Begriff und Wort kannten? Halle
nicht vielleicht jedes Ornament, auch jede An-
deutung davon im Setzen der Steine einen außer-
ästhetischen Sinn, den wir heute kaum ahnen kön-
nen? Vielleicht als Beschwörungsformel? Wer
wühlt auch gern in allen Geheimnissen, die mit
gutem Grund geheim gehalten wurden.

Mit vollem Bechl sieht die katholische Bevölke-
rung von Frankfurt in jener Mullcrgotles (S. 29)
eine Profanierung. Eine Madonna, vor der nicht

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