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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0009

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ZUM NEUEN JAHRGANG

Lieber Herr Dr. Riezler!

Darf ich Ihnen in dem Augenblick, wo Sie die Herausgabe der Zeitschrift des Deutschen

Werkbundes übernehmen, einen Vorschlag machen ? Geben Sie dem Blatt einen anderen

Titel. Irgendeinen neutralen Titel, der auf den Werkbund hinweist.

Sie werden fragen, was ich gegen den bisherigen Titel habe?

Liegt in dem Titel „Die Form" nicht ein allzugroßer Anspruch?

Ein Anspruch, der sehr verpflichtet? Doch das wäre noch keine Gefahr. Verpflichtet

er nicht in einer falschen Richtung?

Lenken wir hierdurch nicht den Blick vom Wesentlichsten fort?
Ist die Form wirklich ein Ziel?

Ist sie nicht vielmehr das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses?
Ist nicht der Prozeß das Wesentliche?

Hat nicht eine kleine Verschiebung seiner Bedingungen ein anderes Ergebnis zur Folge?
Eine andere Form?

Deshalb würde ich wünschen, wir marschierten ohne Fahne. Überlegen Sic meinen
Vorschlag einmal.

Ihr

Mies van der Rohe

Lieber Herr Mies van der Rohe!

Ihr Wunsch ist nicht ganz leicht zu erfüllen: Man ändert nicht gern den Namen
einer Zeitschrift, wenn dieser sich eingebürgert hat, und wir würden uns wahrscheinlicb
den Groll des Verlegers zuziehen, wenn wir an ihn mit einem solchen Verlangen heran-
träten. Der Name „Die Form" ist bereits zu einer Art von Schlagwort geworden, vor
allem auch in Verbindung mit den „Büchern der Form", und besitzt immerhin einiges
Gewicht. Freilich, wenn dieses Schlagwort in eine falsche Richtung wiese, wie Sie
schreiben, so müßte man trotzdem nach einem anderen Namen suchen. Aber ich
bin nicht ganz überzeugt davon, und glaube, wir beide meinen, wie das so oft vor-
kommt, nur etwas verschiedenes, wenn wir von „Form" reden.

Sie halten es für bedenklieb, wenn man das Ergebnis des Gestaltungsprozesses -
nichts anderes sei ja die Form wichtiger nehme als diesen Prozeß selbst. Ich
muß gestehen, daß ich hier keinen scharfen Gegensatz sehen kann. Das, was ich
unter ,Form" verstehe, ist vom Gestaltungsprozeß überhaupt nicht zu trennen, und
ich glaube nicht, daß es möglich ist, den Gestaltungsprozeß anders wie in der Form
ichtbar zu machen: Die Form des Baumes ist eins mit seinem Wachstumsprozeß, der
ein lebendig organischer ist, ebenso wie die Form einer Maschine eins ist mit den
in ihr organisierten Kräften. Man kann das nicht schöner sagen als mit den Worten

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