NORMUNG
Bei den Arbeiten des Normenausschusses ist man
planmäßig von der Vereinheitlichung der Halb-
fabrikate zur Normung der Einzelteile übergegan-
gen, und sieht nun bereits vor der Normung von
Fertigerzeugnissen. Man wandte sich zweckmäßi-
gerweise zuerst Gebieten zu, wo sich Hersteller-,
Händler- und Verbraucherkreise leicht fassen
ließen. Schon bei der Normung des Rohmaterials
und der Einzelleile war die Einigung nicht immer
leicht und legte zunächst vielen Industrien große
Opfer auf. Denn die Umstellung auf die vom
Normenausschuß festgelegten Maße war mit
Koslen verknüpft, die sich aber in kurzer Zeit
lohnen, weil die Lagerhaltung, Beschaffung usw.
wesentlich vereinfacht ist. Nicht mehr in gleichem
Maße wird dies der Fall sein, je weiter man zur
Normung fertiger Erzeugnisse kommt, denn einer-
seits waren es gerade die Besonderheiten, durch
welche viele Industrien sich einen Absatz ver-
schafften und im Wettbewerb hervortraten, ande-
rerseits war es verhältnismäßig leicht, sich auf
die Maße und Form einzelner Bestandteile zu eini-
gen. Es wird aber schwer sein, sich in der Auswahl
und Festlegung der Fertigerzeugnisse zu einigen,
da bei Herstellern, Händlern und Verbrauchern
die Meinungen auseinandergehen und jeder ge-
neigt ist, was er herstellt, vertreibt oder gebraucht,
für das beste und zweckmäßigste zu halten.
Schwierigkeiten schafft auch der Umstand, daß
das Gediegenste eben vielfach nur kaufkräftige
Kreise erwerben können, während große Teile des
Volkes genöligt sind, weniger Gediegenes zu er-
werben. Auch das Kreditsystem wird vielen nicht
darüber hinweghelfen können. Die Vertreter
der Erzeuger, Händler und Verbraucher wer-
den sich am grünen Tisch schließlich zu Fest-
legungen einigen, aber damit ist es nicht getan;
denn die Annahme der Normung kann ja nicht
befohlen werden und wirtschaftliche Verhältnisse,
der Geschmack der Käufer und selbst Vorurteile
werden häufig diesen Feststellungen trotzen. Die-
sen Kräften muß Rechnung getragen werden,
wenn die Beschlüsse der Ausschüsse nicht vielfach
zu einem Schlag ins Wasser geraten sollen. Die
Ausschüsse sind sich darüber klar, daß auch ihre
Erkenntnis durch die ununterbrochene Arbeit in
der Vervollkommnung allen Gerätes vielfach über-
holt werden und daß jedes allzu stürmische Tempo
in der Normung eine Gefahr für die Wirkungs-
kraft der Normenblätter bedeutet. Zunächst be-
fassen sich die Ausschüsse damit, die Vielheit der
in Handel und Gebrauch befindlichen Maße auf
wenige zurückzuführen. Solche Vorschläge wer-
den sich verhältnismäßig leicht durchsetzen. Was
darüber hinausgeht, der Versuch, noch nicht all-
gemein verbreitete Verbesserungen und neue Er-
findungen in Normenblättern festzulegen, wäre
heule verfrüht und könnte den Bestrebungen des
Normenausschusses nur schaden, weil er Wider-
spruch herausfordert und die Weiterentwicklung
überhaupt nicht am grünen Tisch übersehen
werden kann.
Damit soll aber nicht gesagt sein, daß nicht
dem Reichskuratoriuni für Wirtschaftlichkeit
auch auf diesem Gebiet ein weites Feld segens-
reicher Wirksamkeit gegeben ist. Wenn wir z. R.
das große Gebiet des Hausgerätes ins Auge fassen,
so ist leicht erkennbar, daß auf diesem unend-
lich vieles verbessert werden könnte, wenn die
Verbraucher, in diesem Falle hauptsächlich die
Hausfrauen, mehr über die Vorteile zweckmäßi-
gen Hausgerätes unterrichtet würden und Gelegen-
heit fänden, die neuesten Erfahrungen auf die-
sem Gebiete an Reispiel und Gegenbeispiel ken-
nen zu lernen. Hier würde es sich dann nicht
darum handeln, bestimmte Geräte in Material,
Maßen, Konstruktion und Form endgültig fest-
zulegen und als Norm zu bezeichnen, sondern es
wären nach dem Urteil der berufensten Fach-
leute dem Publikum A orzüge und Nachteile der
Geräte ohne jede Rücksicht auf wirtschaftliche
Interessen bestimmter Erzeuger oder Händler vor-
zuführen. Wenn unsere Hausfrauen eine mög-
lichst umfassende Kenntnis der für ihren Haus-
halt geeignetsten Geräte erwerben könnten, wäre
damit volkswirtschaftlich ein großer Fortschritt
erzielt, der sich in keiner Weise einer weiteren
Vervollkommnung in den Weg stellen würde. Die
Tätigkeit der Normenausschüsse wird heute viel-
fach mißverstanden, hauptsächlich darum, weil
die meisten sich vorstellen, der Normenausschuß
befasse sich damit, dem deutschen Volk vorzu-
schreiben, welche Form und Grüße etwa von Fen-
stern oder Türen usw. von ihm verwandt werden
müssen, während er tatsächlich nur bei den ge-
bräuchlichsten Formen die Vielheit der Ausmaße
auf wenige gebracht hat. Andere werfen dem
Ausschuß vor, daß er stark an der Überlieferung
klebe und möchten alle möglichen Neuerungen
durch den Normenausschuß eingeführt wissen.
Solche Vorschläge, die volkswirtschaftlich oft von
großer Bedeutung sind, können nicht durch den
Normenausschuß eingeführt werden; dazu bedarf
es anderer Einrichtungen. Wissen wir doch alle,
daß eine gesunde Entwicklung nur in völliger
Freiheit vor sich gehen kann und nicht vom Ver-
handlungstisch aus zu leiten ist. Otto Baur
222
Bei den Arbeiten des Normenausschusses ist man
planmäßig von der Vereinheitlichung der Halb-
fabrikate zur Normung der Einzelteile übergegan-
gen, und sieht nun bereits vor der Normung von
Fertigerzeugnissen. Man wandte sich zweckmäßi-
gerweise zuerst Gebieten zu, wo sich Hersteller-,
Händler- und Verbraucherkreise leicht fassen
ließen. Schon bei der Normung des Rohmaterials
und der Einzelleile war die Einigung nicht immer
leicht und legte zunächst vielen Industrien große
Opfer auf. Denn die Umstellung auf die vom
Normenausschuß festgelegten Maße war mit
Koslen verknüpft, die sich aber in kurzer Zeit
lohnen, weil die Lagerhaltung, Beschaffung usw.
wesentlich vereinfacht ist. Nicht mehr in gleichem
Maße wird dies der Fall sein, je weiter man zur
Normung fertiger Erzeugnisse kommt, denn einer-
seits waren es gerade die Besonderheiten, durch
welche viele Industrien sich einen Absatz ver-
schafften und im Wettbewerb hervortraten, ande-
rerseits war es verhältnismäßig leicht, sich auf
die Maße und Form einzelner Bestandteile zu eini-
gen. Es wird aber schwer sein, sich in der Auswahl
und Festlegung der Fertigerzeugnisse zu einigen,
da bei Herstellern, Händlern und Verbrauchern
die Meinungen auseinandergehen und jeder ge-
neigt ist, was er herstellt, vertreibt oder gebraucht,
für das beste und zweckmäßigste zu halten.
Schwierigkeiten schafft auch der Umstand, daß
das Gediegenste eben vielfach nur kaufkräftige
Kreise erwerben können, während große Teile des
Volkes genöligt sind, weniger Gediegenes zu er-
werben. Auch das Kreditsystem wird vielen nicht
darüber hinweghelfen können. Die Vertreter
der Erzeuger, Händler und Verbraucher wer-
den sich am grünen Tisch schließlich zu Fest-
legungen einigen, aber damit ist es nicht getan;
denn die Annahme der Normung kann ja nicht
befohlen werden und wirtschaftliche Verhältnisse,
der Geschmack der Käufer und selbst Vorurteile
werden häufig diesen Feststellungen trotzen. Die-
sen Kräften muß Rechnung getragen werden,
wenn die Beschlüsse der Ausschüsse nicht vielfach
zu einem Schlag ins Wasser geraten sollen. Die
Ausschüsse sind sich darüber klar, daß auch ihre
Erkenntnis durch die ununterbrochene Arbeit in
der Vervollkommnung allen Gerätes vielfach über-
holt werden und daß jedes allzu stürmische Tempo
in der Normung eine Gefahr für die Wirkungs-
kraft der Normenblätter bedeutet. Zunächst be-
fassen sich die Ausschüsse damit, die Vielheit der
in Handel und Gebrauch befindlichen Maße auf
wenige zurückzuführen. Solche Vorschläge wer-
den sich verhältnismäßig leicht durchsetzen. Was
darüber hinausgeht, der Versuch, noch nicht all-
gemein verbreitete Verbesserungen und neue Er-
findungen in Normenblättern festzulegen, wäre
heule verfrüht und könnte den Bestrebungen des
Normenausschusses nur schaden, weil er Wider-
spruch herausfordert und die Weiterentwicklung
überhaupt nicht am grünen Tisch übersehen
werden kann.
Damit soll aber nicht gesagt sein, daß nicht
dem Reichskuratoriuni für Wirtschaftlichkeit
auch auf diesem Gebiet ein weites Feld segens-
reicher Wirksamkeit gegeben ist. Wenn wir z. R.
das große Gebiet des Hausgerätes ins Auge fassen,
so ist leicht erkennbar, daß auf diesem unend-
lich vieles verbessert werden könnte, wenn die
Verbraucher, in diesem Falle hauptsächlich die
Hausfrauen, mehr über die Vorteile zweckmäßi-
gen Hausgerätes unterrichtet würden und Gelegen-
heit fänden, die neuesten Erfahrungen auf die-
sem Gebiete an Reispiel und Gegenbeispiel ken-
nen zu lernen. Hier würde es sich dann nicht
darum handeln, bestimmte Geräte in Material,
Maßen, Konstruktion und Form endgültig fest-
zulegen und als Norm zu bezeichnen, sondern es
wären nach dem Urteil der berufensten Fach-
leute dem Publikum A orzüge und Nachteile der
Geräte ohne jede Rücksicht auf wirtschaftliche
Interessen bestimmter Erzeuger oder Händler vor-
zuführen. Wenn unsere Hausfrauen eine mög-
lichst umfassende Kenntnis der für ihren Haus-
halt geeignetsten Geräte erwerben könnten, wäre
damit volkswirtschaftlich ein großer Fortschritt
erzielt, der sich in keiner Weise einer weiteren
Vervollkommnung in den Weg stellen würde. Die
Tätigkeit der Normenausschüsse wird heute viel-
fach mißverstanden, hauptsächlich darum, weil
die meisten sich vorstellen, der Normenausschuß
befasse sich damit, dem deutschen Volk vorzu-
schreiben, welche Form und Grüße etwa von Fen-
stern oder Türen usw. von ihm verwandt werden
müssen, während er tatsächlich nur bei den ge-
bräuchlichsten Formen die Vielheit der Ausmaße
auf wenige gebracht hat. Andere werfen dem
Ausschuß vor, daß er stark an der Überlieferung
klebe und möchten alle möglichen Neuerungen
durch den Normenausschuß eingeführt wissen.
Solche Vorschläge, die volkswirtschaftlich oft von
großer Bedeutung sind, können nicht durch den
Normenausschuß eingeführt werden; dazu bedarf
es anderer Einrichtungen. Wissen wir doch alle,
daß eine gesunde Entwicklung nur in völliger
Freiheit vor sich gehen kann und nicht vom Ver-
handlungstisch aus zu leiten ist. Otto Baur
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