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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0337

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GARDEROBENGESTELL UND KLEIDERHAKEN

Bamberger, Leroi & Co.. Frankfurt/Main

RUNDSCHAU

DIE POST ALS ÄSTHET

Zur Eröffnung der städtebaulichen Ausstellung
in Ilagen überbrachte der Präsident der Ober-
postdirektion Dortmund die Glückwünsche des
Reichspostministers und wies darauf hin, wie sehr
die Reichspost bestrebt sei, bei der Durchführung
ihrer Neubauten in den einzelnen Städten diese
Bauten in das jeweilige heimatliche Stadtbild
„einzupassen".

Similia Similibiis. Wilhelm II. halle über die
Köpfe der Architekten hinweg bestimmt, daß
solche Bauten im Sinne des jeweils bedeutendsten
architektonischen Kunstwerks gehalten werden
sollten, das die Stadl besäße. So mußte es kom-
men, daß in Gandersheim der Bahnhof — der
hochseligen Roswitha zuliebe — und in Gelnhau-
sen die Post — zu Ehren des großen Barbarossa
— im ,,romanischen" Stile erstanden; die Bei-
spiele lassen sich an der Hand des Bädecker be-
liebig vermehren.

Wenn wir uns die Erhöhung des Porlos gefallen
lassen, dann ist das richtig; wir gestehen der
Reichspost hierin gern eine tiefere Einsicht zu,
sie muß so etwas besser wissen. Wenn die Posl
uns verbietet, Briefumschläge zu benutzen, die
oben, anstatt links, den Kopf unserer Firma tra-
gen, gut — dann drehen wir gehorsam den Brief
um 90 Grad, bis wir die Aufschrift links haben,
und fügen auch hier uns dem besseren Wissen,
ohne erst lang zu fragen und zu tadeln ......

wenn aber die Reichspost in Fragen des Ge-
schmackes den Mund auftut, dann meinen wir,
übersteigt dies doch ihren postalischen Horizont
und gehört nicht in ihr Ressort.

Gewiß, es gibt Postbaurälc, und vielleicht hat
wieder einmal der Reichskunstwart die Ehre,
dabei mit anwesend zu sein, und nicht, wie bei
den schrecklichen Briefmarken, übergangen zu
werden — wenn aber von offizieller Stelle aus
verkündet wird, daß die neuen Posibauten in das
jeweilige Stadtbild eingepaßt werden sollen, dann
ist den Post- und Oberpostbauräten, ja, dann ist
auch dem Herrn Reichskunstwart ein .Mißtrauens-
votum auszusprechen.

W enn zu ..Kaisers'' Zeilen dem Poslbau das allcr-
ehrwürdigste Mönumentalbauwerk gerade gut ge-
nug zum Vorbild war, ist heute damit etwas ge-
wonnen, daß wir nun — sehr demokratisch! —
das gemütliche Bürgerhaus als Vorlage wählen?
In Gelnhausen den hessisch-fränkischen Fach-
werkbau, in Holzminden ein solides Ackerbürger-
haus uiiI Diele und Schweinestall?
Das ist docli nur eine andere Art von Geschmack-
losigkeit, als wie sie uns vor dem Kriege aufge-
tischt wurde!

Heimatliche Bauweise ist wurzclechte Wohnbau-
weise. Der Wohnbau hat sich in alten Zeilen,
die gebieterisch verlangten, daß sich der Bau-
meisler auf den dort vorhandenen Baustoff ein-

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