Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

DOI article:
Schramm, Julius: Handwerk und Kunsthandwerker
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0353

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
HANDWERK UND KUNSTHANDWERKER

Der Generalsekretär des Deutschen Handwerks-
und Gewerbekammertages, Dr. Meusch, hat in sei-
nem Vortrag in Mannheim durch genaues Zahlen-
material nachgewiesen, daß sich das Handwerk
trotz der Ausdehnung der Industrie gehalten und
weiterentwickelt hat; wenn diese Tatsache den
Fachleuten auch nicht unbekannt war, so war die
zahlenmäßige Feststellung gewiß interessant. Die
von Dr. Meusch hervorgehobene Notwendigkeit der
Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern
ist im Werkbund oftmals betont und seit langer
Zeit von Prof. Ernst Petersen j gefordert worden.
Wenn Dr. Meusch*) klagt, daß sich die Werk-
bundarbeit nur auf Spitzenleistung einstelle und
dadurch dem Handwerk „als wirtschaftlichen Be-
rufsstand" nicht gerecht werde, so möchte ich
darauf hinweisen, daß der Werkbund wirtschaft-
liche Interessen nicht verfolgt, er ist keine Hand-
wcrksorganisation und kein Handwerkerverein,
wenn er auch sonst das Handwerk fördert. Der
Werkbund kann aber das Handwerk nur fördern,
wenn er es zu besseren Leistungen, also zu Spitzen-
leistungen anregt und sich für diejenigen inter-
essiert, die solche Leistungen ernsthaft anstreben,
und das ist ihm gewiß nur zu danken.
Schwieriger erscheint es mir, die Aufgaben von
Künstler und Handwerker klar zu umreißen*)
Dr. Meusch sagt, „dem Künstler soll dabei das
Schöpferische, dem Handwerk das Erlernbare
überlassen bleiben'', er läßt dann selbst den Salz
folgen*): ..Dabei geht das Gebiet des Erlernbaren
weil hinein in den Bezirk dessen, was man in
der letzten Zeil häufig als schöpferische Domäne
für den Künstler in Anspruch genommen hat."
Wenn diese Sülze auch das ernste Bestreben er-
kennen lassen, so vermag ich sie nebeneinander
doch nicht als klare Umreißung anzuerkennen. Es
dürfte schwierig, vielleicht unmöglich sein, diese
Begriffe klar zu umreißen; diese Fragen lassen
sich einstweilen also nur von Fall zu Fall von
geeigneten Fachleuten, bzw. Künstlern beurteilen.
Es wäre aber zu wünschen, daß sich die Behand-
lung solcher Fragen überhaupt vermeiden ließe.
Man darf nicht außer acht lassen, daß es
noch ein anderes Handwerk gibt, ein Hand-
werk, das nicht in erster Linie Wirtschaft lieh
eingestellt ist, das vielmehr trotz materieller

Nachteile solche Aufträge ablehnt, deren Ausfüh-
rung es nicht innerlich vertreten kann. Dieses
Handwerk ist in erster Linie bestrebt, selbst schöp-
ferisch zu arbeilen und Werke zu schaffen, die
durch „Erlernbares" allein nicht entstehen kön-
nen und die künstlerisch selbständig entwickelt
sind. Diese Handwerker betrachten und fühlen
sich zumeist als die eigentlichen Handwerker im
alten Sinne, nicht aber nach dem Buchstaben der
heutigen Bestimmungen. Sie könnten und würden
zum großen Teil in den Innungen Nutzen bringen,
wenn diese ihnen nicht sehr selten gerecht würden.
Kann es z. B. der Entwicklung dienlich sein, wenn
ein bedeutender Glasmaler gezwungen war, der
Glaserinnung anzugehören, oder wenn andere
Handwerker dieser Richtung bei Strafe gezwun-
gen werden, Versammlungen zu besuchen, deren
Tagesordnung sie in keiner Weise angeht, und in
denen sich, nach Bezirken zufällig geordnet, die-
jenigen zusammenfinden, die sich nur dem Stoffe
und nicht dem Geiste nach mit demselben Material
beschäfligen? Die Kraft des Handwerks liegt in
der Leistung und nicht, in der Zahl der Hand-
werker; die n and Weltorganisationen sollten
selbst bestrebt sein, diese Handwerker im allen
Sinne für sich zu gewinnen und ihnen die erfor-
derliche Freiheit zu lassen, statt alles säuberlich
in Kästchen zu pressen, was nicht hineingehört.
Das liegt aucli im Interesse eines guten Nach-
wuchses; man sollte bestrebt sein, die Leistung
des Handwerkers durch die Aussicht anzuspornen
sich bei entsprechender Veranlagung zum Künst-
ler zu entwickeln, statt ihm eine Grenze zu setzen;
ein strebsamer junger Mann wird es sich aber
oft überlegen, Handwerker zu werden, wenn er
erfährt, daß er noch im Alter bei Strafe gezwun-
gen werden wird, an für ihn werllosen Sitzun-
gen teilzunehmen. Aufrechte Handwerker emp-
finden diese bürokratische Behandlung als unwür-
dig. Es ist ein besonderes Verdienst des Deutschen
Werkbundes, daß er auch für diese Gruppe von
Handwerkern Inleresse gezeigt und sie unterstützt
hat; möchten die Verwaltungsstellen und Iland-
werksorganisalionen diesem Beispiel folgen zum
Wohle des deutschen Handwerks!

15. Oktober 1927 Julius Schramm

*) Nach dem Bericht in der Handwerks-Zeitung, Amtsblatt der Handwerkskammer Berlin.

343
 
Annotationen