DIE BUCHKUNST
VON EMIL PREETORIUS
Die Buchkunst gehört zu den vielfältigen
Ehen, die die Kunst in den letzten drei Jahr-
zehnten eingegangen hat, und deren grund-
sätzlichste, umfassendste, Kunstgewerbe
heißt. Sind diese Verbindungen auch nicht
gerade Neigungsehen, so sind sie doch er-
wachsen aus einem tiefen Bedürfnis beider
Teile und darum, wie nicht bloß prosaische
Leute meinen, besonders gut fundiert. Die
Zeit der goldverbrämten Plüschbände gi-
gantischen Formales liegt jedenfalls noch
nicht so weit zurück, als daß wir nicht allen
Grund hätten, das Buch zu beglückwün-
schen zu seiner Durchdringung mit künst-
lerischen Elementen. Und daß die Kunst
gut daran tue, statt in Selbstzwecklichkeit
zu versickern, an einem gegebenen Thema
sich zu bewähren und fruchtbar auszuwir-
ken, das bedarf wohl kaum eines besonde-
ren Wortes. Ist es doch nicht mehr das
Geheimnis Weniger, sondern mittlerweile
ein öffentliches geworden, daß unsere
Kunst, nur auf sich selber gestellt, in einen
unfruchtbaren Zirkel gebannt bleibt, ein
luftdünnes Dasein führt oder stickig wird
in der Isolierkammer eines Kennerkreises.
Das durchschnittliche Lesepublikum wird
freilich kaum dessen inne, was alles an
einem Buche künstlerisch zu gestalten sei,
aber auch der augenmäßig wenig geschulte
Leser würde dessen sogleich gewahr, wenn
er ein künstlerisch durchdachtes, auch noch
so einfaches Buch unmittelbar einem ver-
gliche, das aller gestaltenden Denkarbeit
entbehrte. Es sind ja eine Fülle von Elemen-
ten, die das Buchganze ausmachen, und es
gehört eine gleiche Fülle von künstlerischer
Erfahrung, von empfindlicher Abwägung,
von sicherem Geschmack dazu, diese hetero-
genen Elemente abzustimmen aufeinander,
damit sie wie ein gutes Orchester sinnvoll
zusammenklingen, damit eine Einheit dar-
aus entsteht, nicht nur eine beliebige, son-
dern eine, die dem geistigen Charakter des
Buchinhalles entspricht. Wie sehr aber
Format und Salzspiegel, Drucktype und
Einband, Papierart, Farbgebung, Titel an
sich sowohl wie in ihreni Zueinander wer-
bend, anregend, vertiefend ein literarisches
Werk mitbestimmen können oder aber ver-
wirrend, abschreckend, entstellend: das ist
eine von jedem empfindlichen Menschen ge-
machte, wenn auch nicht immer bewußt ge-
wordene Erfahrung. Und es heißt nicht nur
pro domo der Buchkunst sprechen, wenn
man behauptet, daß am Erfolg von Einzel-
werken sowohl wie an dem von geistigen
Bichlungen ganzer Verlage Art und Beson-
derheit ihrer Ausstattung einen wesent-
lichen Anteil haben : daß zum mindesten der
frühere oder spätere Erfolg in hohem Maße
auf Rechnung der Form zu setzen ist, in der
Werk oder Werke dargeboten werden. In
unserer Zeit wieder feiner gewordenen
Formfühlens gehört zur geistigen auch eine
bildnerische Physiognomie und, um nur ein
Beispiel für viele zu nennen, der Inselver-
lag etwa wäre gewiß nicht das, was er ist,
ohne sein besonderes buchkünstlerisches
Gepräge.
Wie in jeder rechten Ehe, so geht es frei-
lich auch bei der des Buches mit der Kunst:
sie erlebt glänzendere und mattere Zeiten,
VON EMIL PREETORIUS
Die Buchkunst gehört zu den vielfältigen
Ehen, die die Kunst in den letzten drei Jahr-
zehnten eingegangen hat, und deren grund-
sätzlichste, umfassendste, Kunstgewerbe
heißt. Sind diese Verbindungen auch nicht
gerade Neigungsehen, so sind sie doch er-
wachsen aus einem tiefen Bedürfnis beider
Teile und darum, wie nicht bloß prosaische
Leute meinen, besonders gut fundiert. Die
Zeit der goldverbrämten Plüschbände gi-
gantischen Formales liegt jedenfalls noch
nicht so weit zurück, als daß wir nicht allen
Grund hätten, das Buch zu beglückwün-
schen zu seiner Durchdringung mit künst-
lerischen Elementen. Und daß die Kunst
gut daran tue, statt in Selbstzwecklichkeit
zu versickern, an einem gegebenen Thema
sich zu bewähren und fruchtbar auszuwir-
ken, das bedarf wohl kaum eines besonde-
ren Wortes. Ist es doch nicht mehr das
Geheimnis Weniger, sondern mittlerweile
ein öffentliches geworden, daß unsere
Kunst, nur auf sich selber gestellt, in einen
unfruchtbaren Zirkel gebannt bleibt, ein
luftdünnes Dasein führt oder stickig wird
in der Isolierkammer eines Kennerkreises.
Das durchschnittliche Lesepublikum wird
freilich kaum dessen inne, was alles an
einem Buche künstlerisch zu gestalten sei,
aber auch der augenmäßig wenig geschulte
Leser würde dessen sogleich gewahr, wenn
er ein künstlerisch durchdachtes, auch noch
so einfaches Buch unmittelbar einem ver-
gliche, das aller gestaltenden Denkarbeit
entbehrte. Es sind ja eine Fülle von Elemen-
ten, die das Buchganze ausmachen, und es
gehört eine gleiche Fülle von künstlerischer
Erfahrung, von empfindlicher Abwägung,
von sicherem Geschmack dazu, diese hetero-
genen Elemente abzustimmen aufeinander,
damit sie wie ein gutes Orchester sinnvoll
zusammenklingen, damit eine Einheit dar-
aus entsteht, nicht nur eine beliebige, son-
dern eine, die dem geistigen Charakter des
Buchinhalles entspricht. Wie sehr aber
Format und Salzspiegel, Drucktype und
Einband, Papierart, Farbgebung, Titel an
sich sowohl wie in ihreni Zueinander wer-
bend, anregend, vertiefend ein literarisches
Werk mitbestimmen können oder aber ver-
wirrend, abschreckend, entstellend: das ist
eine von jedem empfindlichen Menschen ge-
machte, wenn auch nicht immer bewußt ge-
wordene Erfahrung. Und es heißt nicht nur
pro domo der Buchkunst sprechen, wenn
man behauptet, daß am Erfolg von Einzel-
werken sowohl wie an dem von geistigen
Bichlungen ganzer Verlage Art und Beson-
derheit ihrer Ausstattung einen wesent-
lichen Anteil haben : daß zum mindesten der
frühere oder spätere Erfolg in hohem Maße
auf Rechnung der Form zu setzen ist, in der
Werk oder Werke dargeboten werden. In
unserer Zeit wieder feiner gewordenen
Formfühlens gehört zur geistigen auch eine
bildnerische Physiognomie und, um nur ein
Beispiel für viele zu nennen, der Inselver-
lag etwa wäre gewiß nicht das, was er ist,
ohne sein besonderes buchkünstlerisches
Gepräge.
Wie in jeder rechten Ehe, so geht es frei-
lich auch bei der des Buches mit der Kunst:
sie erlebt glänzendere und mattere Zeiten,