Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

DOI Artikel:
Oppenheimer, Alex: Die Ausbildung des Nachwuchses in der Seidenweberei in geschmacklicher Hinsicht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gebracht werden, daß er das für die Pa-
trone notwendige Zeichnen vollständig
beherrscht. Es mag hier eingeschaltet
werden, daß auf die Ausbildung der Pa-
troneure weit mehr Wert zu legen ist,
als dieses meistens der Fall war. Die Pa-
trone darf nicht als eine mechanische
Übertragung der Zeichnung in das Tech-
nische betrachtet werden, sie bildet viel-
mehr ein wesentliches Moment bei der
geschmacklichen Gestaltung des Muslers.
Ein Hand-in-Hand-Arbeiten von Zeich-
ner und Patroneur ist unbedingt erfor-
derlich, denn die beste Zeichnung ergibt
kein hochslebendes Erzeugnis, wenn in
dem Gewebe nicht die richtigen Bindun-
gen angewendet sind. Erst durch diese
Bindungen erhält das Gewebe z. B. bei
sehr vielen Krawattenstoffen seinen ge-
schmacklichen Wert und es gibt ge-
schmacklich sehr hochstehende Stoffe,
bei denen die Gewebebindungen wichti-
ger sind als die Zeichnung. Es kommt
noch hinzu, daß auch, wie oben schon
erwähnt, die Farbwirkung zum Teil von
der Patrone abhängig ist.

b) auf das Verwerten der in der Kunstge-
werbeschule angefertigten Studien. Diese
müssen behufs Verwendung für die ver-
schiedenen Zwecke: Krawattenstoffe,
Kleiderstoffe usw. umgezeichnet und für
die verschiedenen Rapporle richtig ge-
stallel werden. Auch ist hierbei schon
zu erwägen, welche Gewebebindungen
verwendet werden sollen. Daß dieser
Teil der zeichnerischen Ausbildung
außerordentlich wichtig isl und nur einer
ersten Lehrkraft anvertraut werden kann,
muß besonders betont werden.

Der über diese beiden Punkte hinaus-
gehende Zeichenunterricht und die ge-
schmackliche Ausbildung müssen in der
Kunstgewerbeschule erfolgen.

Beim Zeichenunterricht soll vorzugsweise
auf eine rein künstlerische Ausbildung
Wert gelegt und im allgemeinen von einer
Prüfung der Studien auf ihre Verwendbar-
keit für die verschiedenen Zwecke der Sei-
denweberei Abstand genommen werden.
Sehr wichtig hierbei ist die Auswahl des
diesen Lehrgang Leitenden, und von seiner
Persönlichkeit ist in erster Linie der Erfolg

abhängig. Nur eine allererste Kraft kann
hierfür in Frage kommen. Es ist auch zu
erwägen, ob es nicht richtig isl, wechselnde
Lehrkräfte mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Ein besonderes Gebiet ist die Entwickclung
des Farbensinnes. Es ist selbstverständlich,
daß dort, wo ein Empfinden für Farben-
harmonie vollständig fehlt, dieses nicht
durch Unterricht hervorgerufen werden
kann. Wohl aber ist es möglich, den Far-
bensinn durch planmäßigen Unterricht zu
heben und zu entwickeln. Hierzu dienen,
neben Vorträgen über Farbenlehre, Studien
an Farbstimmungen in neuzeitlichen Ge-
mälden, orientalischen Teppichen, Töpfe-
reien, farbig gelungenen Geweben usw.,
auch das Studium der Farben in der Natur.
Die Kunstgewerbeschulc hat ferner noch
eine andere wichtige Aufgabe zu erfüllen:
Der Musterzeichner, mag er nun in einem
Zeichneratelier oder in einem Fabrikations-
geschäft tätig sein, wird leicht im Laufe
der Zeit in eine gewisse Einseitigkeit ver-
fallen. Dieselbe Linienführung, dieselben
Formen wiederholen sich, ohne daß er sich
dessen bewußt ist, und die von ihm geschaf-
fenen Entwürfe verlieren mehr und mehr
den Reiz der Neuheit. Um diesen Übcl-
sland zu beheben, ist es notwendig, ihm An-
regungen zu verschaffen, die außerhalb des
Gebietes liegen, das ihn täglich beschäftigt.
Es ist deshalb wünschenswert, daß alljähr-
lich zu einer Zeit, in der die Muslerzeichner
am besten abkömmlich sind, mehrwöchige
Kurse für ausgebildete Musterzeichner in
der Kunstgewerbeschule veranstaltet wer-
den. Hierbei ist es durchaus nicht notwen-
dig, ja nicht einmal empfehlenswert, daß
der Lehrgang in irgendeiner Weise auf die
Musterung in der Seidenweberei Rücksicht
nimmt. Es muß vielmehr die Hauptaufgabe
dieser Kurse sein, durch Natursludien und
Formenzeichnen verschiedenster Art dem
Musterzeichner neue Anregungen zu geben,
deren nutzbringende Verwendung für sei-
nen Beruf ihm überlassen bleiben muß.
Ein Hauptaugenmerk muß darauf gerieb-
tet werden, für diese Kurse führende Künst-
ler zu gewinnen, denen auch in periodischen
Kursen die Entwickclung des Farbensinnes
anvertraut werden könnte.
Neben den mit der Musterung Betrauten hat
auch in vielen Fällen der Verkäufer, wel-

90
 
Annotationen