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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Rading, Adolf: Das Haus von Adolf Rading
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0298

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traut werden könnten. Wenn wir wie ur-
sprünglich die Wirtschaftlichkeit als ,aus-
schlaggebenden Teil unserer Aufgabe ange-
sehen hätten, hätten wir in diesem Augen-
blick unsere Arbeit niederlegen müssen, da
natürlich von da ab eine freie Preisbildung
nicht mehr möglich war.
Sie werden vielleicht mit mir in dem Bedau-
ern übereinstimmen, daß eine einwandfreie
wirtschaftliche Kontrolle der Bauten durch
diesen Beschluß unmöglich gemacht wurde.
Aber ich möchte doch glauben, daß Sinn
und Wirkung der Siedlung im wesentlichen
nicht beeinträchtigt worden ist.
Worauf kam es denn an?
Etwas zusammenhängendes Organisches zu
zeigen, sowohl in sich zusammenhängend
als auch mit der Zeit, mit dem Leben rings
um uns herum, zusammenhängend mit uns
selbst, mit unserem Denken, mit unserem
Gefühl.

Es kam darauf an, etwas zu schaffen, was
erlösen sollte von der Muffigkeit und ängst-
lichen gehemmten Kleinbürgerlichkeit un-
serer üblichen Siedlungen, in denen Jahre
und Jahre Tausencle und aber Tausende von
Wohnungen gebaut werden, von denen man
ganz genau weiß, daß sie unserem Denken
und Fühlen schon heute nicht mehr ent-
sprechen. Sie wissen, daß das ein milder
Ausdruck ist, denn ich könnte ebensogut
sagen, sie werden in wenigen Jahren ganz
unbrauchbar sein. Wir können ohne weite-
res von ihnen sagen, daß sie in den meisten
Fällen in grundrißtechnischer Hinsicht so-
gar einen Bückschritt bedeuten gegenüber
den besseren Unlernehmerwohnungen, wie
sie vor dem Kriege in Berlin gebaut wurden.
Einmal praktisch zu zeigen (nachdem wir
viele Jahre theoretisch gekämpft haben),
wieweit diese behördlich konzessionierte
Bauerei von wirklichem Leben entfernt ist
und ihr vielleicht — ich weiß nicht, ob wir
so wahnwitzig optimistisch sein dürfen —
einen Anstoß zu geben.

*

Nun stehen unsere Häuser zur Diskussion.
Und es wird wohl einen großen Haufen von
Mißverständnissen geben. Da wir zum Teil
Ungewohntes zeigen und nicht immer da-
beistehen und auf jede Frage antworten
können, ist das ja selbstverständlich. V\ enn

ich in meinem Hause den ganzen Grundriß
ebenerdig entwickle, um unnützes Treppen-
steigen zu vermeiden, so leuchtet das viel-
leicht im allgemeinen ein. Daß ich aber
Waschküche und Bügelzimmer, d. h. den
Sonderraum für Haushaltungswirtschaft
mit schöner Aussicht an die Sonnenterrasse
anschließe, anstatt dieses „notwendige
Übel" wie üblich in den Keller zu verlegen,
das wird sicher ein großer Teil meiner Mit-
menschen übelnehmen — und überlegt eben
nicht, daß solcher Raum zu den meist be-
nutzten im Hause gehört, daß die Hausfrau
oder Angestellte dankbar sein wird, ihre oft
eintönige Arbeit durch schöne Umgebung
belebt zu sehen.

Ich wollte ein Haus bauen, das auf die Men-
schen und ihre natürlichen Eigenschaften
Rücksicht nimmt, daher sind alle allgemein
üblichen Maße noch einmal kontrolliert und
dem Menschen angepaßt, daher sind die
Wohnräume beliebig teilbar (durcJi breite
Falttüren) eingerichtet, von drei Räumen
bis zu einem wandelbar. Ich kann nicht
ändern, daß dem einen ein Raum zu schmal
oder zu breit ist, ein anderer die Treppe
breiter wünscht, das alles sind Dinge, die
natürlich individuell berechtigt sind. Ich
mußte mich hier an die mir vorgeschriebene
Bausummc halten und ein mittleres nor-
males Wohnbedürfnis voraussetzen.
Psychologisch ist die Einstellung so, daß die
Wohnräume nach außen sich öffnen, daß
man nach außen wohnt, also nicht mehr
wie gewöhnlich in seiner Höhle sich ver-
kriecht. Die Schlafräume dagegen sind erst
nach Durchschreiten des ganzen Hauses er-
reichbar. Hier hat man das Gefühl, durch
den ganzen vorliegenden Hauslrakt ge-
schützt zu sein (durch den Weg, den man
zurückgelegt hat), hat aber trotzdem die
Verbindung mit dem „Draußen" nicht auf-
gegeben, denn vom Hauptschlafzimmer ist
direkt der Garten zugängig.
Der langgestreckte Baum im Obergeschoß
neben der Treppe dient in Verbindung mit
der Sonnenterrasse als Kinderspielraum.
Die Kinder sind aus der Küche zu hören,
der Baum entwickelt sich in die Länge, da-
mit die Kinder Auslauf haben. Es ist über-
haupt charakteristisch für das ganze Haus,
daß diese Längenentwicklung überall vor-
herrscht, daß man also nicht mehr wie

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