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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Riezler, Walter: Die festen Lehrpläne der Kunstgewerbeschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0195

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nur im ganzen 2 4 Wochenstunden vorge-
sehen sind. — Nach dem Lchrplan für Mo-
delleure und Bildhauer sind in den letzten
vier Halbjahren je sechs Wochenslunden
„historischen Ornamentstudien" zu wid-
men, und die Dekorationsmaler haben in
sämtlichen sechs Halbjahren je 4 Wochen-
stunden mit der „Aufnahme historischer
Ornamente" zuzubringen. Wir können uns
nicht denken, daß es heule noch viele Leiter
von Kunstgewerbeschulen gibt, die sich
wirklich mit gutem Gewissen solchen
Vorschriften fügen werden. Tun sie das
nicht, so bleibt ihnen nur die Wahl,
entweder zurücktreten oder aber ruhig
zuzusehen, daß ein Teil der Unterrichts-
stunden mit Arbeiten verbracht wird,
für die sie keine Verantwortung über-
nehmen können. Aber auch wenn man da-
mit rechnet, daß diese Rahmenlehrpläne
auch in der Zukunft als dehnbar aufgefaßt
werden, bleibt immer noch die eine grund-
sätzliche Schwierigkeit, daß den Leitern der
Schule und auch den führenden Lehrkräf-
ten die Möglichkeit genommen wird, den
Unterricht je nach den besonderen Verhält-
nissen der Schule, je nach den Individuali-
täten der Lehrer und Schüler frei zu ge-
stalten.

Die ersten Erfahrungen liegen bereits vor.
In dem „Verwallungsbericht über das ge-
werbliche Unlerrichtswesen in Preußen
1926" ist zu lesen :

,,In dem Berichtsjahr hat man sicli an den
meisten Schulen mit der Einführung solcher
Lehrpläne beschäftigt. Die Erfahrungen, die
damit gesammelt sind, sind nach den vorläufi-
gen Berichten sehr günstig. An einzelnen
Schulen......sind bereits für die Hauptfächer

Lehrpläne und Abschlußprüfungen mit Erfolg
eingeführt. Allerdings stehen die Leiter einiger
anderer Schulen auf dem Standpunkte, daß die
Schwierigkeilen sehr groß seien. Nun ist aller-
dings zuzugeben, daß gerade in den letzten
Jahren, wo die Schüler infolge der wirtschaft-
lichen Not dem Schulbesuch meist nur kurze
Zeit widmen konnten, die Verhältnisse ganz be-
sonders ungünstig lagen. Aber die Haupthin-
dernisse sind in dem eigentlichen Wesen der
Handwerker- und Kunst gewerbeschulen begrün-
det, und zwar insofern, als diese Schulen durch-
weg eine Vielheit von Unlerrichtsgebieten be-
treiben, und daß ferner die Schülerzahl der
einzelnen Abteilungen meistens gar nicht so
zahlreich ist, um aufsteigende Klassen durch-
führen zu können. Die Schwierigkeiten sind
hier unvergleichlich viel größer als an den Bau-
gewerk- und Maschinenbauschulen, die ein ein-
heitliches, engbegrenztes Unterrichtsgebiet und
in diesem hinreichende Schülerzahlen haben.
Es kommt ferner hinzu, daß die Vorbildung
und das Lebensalter der Kunstgewerbeschüler
höchst verschieden sind. Infolge aller dieser
Umstände können die Lehrpläne nicht in der
Weise festgefügt sein, wie es an den Bauge-
werk- und Maschinenbauschulen der Fall ist.
Es müssen bei der geringen Schülerzahl teil-
weise Zusammenlegungen mit anderen Abtei-
lungen vorgenommen werden, was übrigens in
den allgemeinbildenden Fächern, wie Buch-
führung, Briefwechsel, Geselzeskunde usw. an
sich nicht schwer ist. Jedenfalls muß der Lehr-
plan dehnbar sein. Die Verhältnisse liegen so,
daß die Einzelheilen eigentlich für jeden
Schüler besonders zusammengestellt werden
müssen. Daraus erwächst für den Schulleiter
und für die Lehrer eine nicht unbeträchtliche
Arbeit. Trotzdem haben die Schulen, bei denen
feste Lehrpläne bereits eingeführt sind, den Be-
weis erbracht, daß es möglich ist, auch an Hand-
werker- und Kunstgewerbeschulen eine ähnliche
strafte Organisation zu schaffen und ähnlich
gleichmäßige Unlerrichtsergehnisse zu erreichen
wie an den Hängewerk- und Maschinenbau-
schulen."

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