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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Roessler, Arthur: Professor Dr. Oskar Strnad - Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0019

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PROFESSOR DR. OSKAR STRNAD—WIEN

VON ARTHUR ROESSLER-WIEN

Der unbedingte oder fragliche Wert eines Ta-
lentes für die menschliche Gesellschaft wird
durch die Hingabe des Talentes an die Vergangen-
heit oder Zukunft bestimmt. Wer als Künstler die
Überlieferung mehr liebt als das Leben, der ist
oder wird unschöpferisch, und sein Tun bleibt
fruchtlos für die Menschheit. Es ist des Künstlers
erste Pflicht, sorgsam auf die Unabhängigkeit seiner
Gefühle und Gedanken und ihres formal gefaßten
Ausdruckes zu achten. Das Unverstandensein
braucht er nicht zu fürchten, denn es hat keine
Dauer. Das Volk ist überreich an Kräften und
Fähigkeiten und erhebt sich früher oder später
zum Standpunkt eines jeden Meisters der Kunst.
Der Künstler mag noch so weit vorauseilen oder
hochsteigen, das Volk kommt ihm nach, holt ihn
ein. Kein Künstler hat es daher nötig, nur mit
halber Kraft zu schaffen und gehemmt von bedacht-
samer Berücksichtigung fremder Willensregungen,
sich selbst auszuweichen, sich selbst zu verringern,
zu verleugnen, um volkstümlich zu werden. Alle
eigenheitsstarke und hochwertige Kunst wird
schließlich volkstümlich und trägt dazu bei, das
Empfindungsvermögen des Volkes zu formen, zu
verfeinern. Die Verantwortung des Künstlers ist
wie. vn. i.

darum groß. Sind seine Werke nicht Behälter
lebendiger Kräfte, die vorwärtsdrängend wirken,
bleiben sie ästhetische Kuriositäten ohne eigent-
lichen erzieherischen, veredelnden Genuß spen-
denden Einfluß.

Oskar Strnad besitzt den erwähnten zweifellosen
Talentwertund das strenge Verantwortungsbewußt-
sein, von dem ich sprach, er wird daher als Künstler,
mit seiner sehr eigenwilligen, ja rechthaberischen
Natur, gegenüber allen einstweiligen Widersachern
Recht behalten, wenn er, was in Wien allerdings
nötig ist, (siehe Rud. Alt, O.Wagner beispielsweise)
das Glück hat, alt genug zu werden. Vorläufig
regen sich die Wiener über seine »timbuktuanischen
Wohnhauswürfel« noch auf, die ihnen äußerlich
allzu asketisch erscheinen. Von der Schildkröte
bis zum Walroß verträgt kein lebendiges Geschöpf
Störung; es ist daher nicht verwunderlich, daß
sich die an mancherlei baulichen Firlefanz ge-
wöhnten Wiener durch die gemauerte Selbstkritik
Strnads in ihrem Gewohnheitsempfinden gestört
fühlen. Die meisten Menschen befinden sich in
einem intellektuellen Gefängnis, in das sie entweder
hineingeboren, hineingewachsen, freiwillig oder
gezwungen hineingeraten sind, und das sie für den
 
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