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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Brandt, G.: Wohnungskunst in Schleswig-Holstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0213

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XXIX. JAHRGANG.

DARMSTADT.

JULI-AUG. 1918.

WOHNUNGSKUNST IN SCHLESWIG-HOLSTEIN

VON PROFESSOR DR. G. BRANDT.

Die niederdeutschen Hansastädte an den Küsten der
Ost- und Nordsee von Reval und Riga bis Brügge
und Gent haben sich ihr altertümliches Städtebild im
ganzen erhalten können, und dieses Gesamtbild spricht
so überzeugend von ihrer Wesensverwandtschaft, daß es
heimatlich den grüßt, der von Jugend auf über Lübecks
braunroten Dächern und stolzen Treppengiebeln die hohen
schlanken, grünen Türme seiner Kirchen aufragen sah.
Der alten Hauptstadt der Dudeschen Hanse gleichen siealle
in ihren Grundzügen, wie oft in ihren Einzelerscheinungen.
Das niederdeutsche Behagen und die niederdeutsche Trau-
lichkeit rinden wir in ihnen, wie wir sie in Lübeck finden. —
Wer in Lübeck die alten Straßen mit den wundervollen
stattlichen Treppengiebeln, den straff und schön durch
Lisenen und Spitzbogenblenden gegliederten Häuser-
fassaden durchwandert, der sieht, daß sich hier eine
heimatliche Backsteinbaukunst entwickelt hat, deren be-
wunderungswürdige Höhe kein neuzeitiger Backsteinbau
wieder erreichte. Und als mit den niederländischen Re-
naissanceformen die Verwendung von Sandstein zu Por-
talen und Fensterumrahmungen nie überwundene Fremd-
körper in die mittelalterliche Backsteinbaukunst brachte,
dienten doch auch diese dazu, das schöne Straßenbild reich
und malerisch zu beleben. Was alles an Wundern und
köstlichen Überraschungen finden wir in den Gassen,
den Höfen und Häusern der alten niederdeutschen Kultur-
zentrale Lübeck. Alle Zeitalter, alle Stile haben mit-

gemalt an den bunten Bildern, die uns so fühlbar das
Werden und Wirken großzügiger Geschichtsentwicklung
empfinden lassen. Wie fügt sich alles das harmonisch zu
einem einheitlichen, großen Eindruck ineinander.

Ein in den schweren, krausen Formen des nieder-
ländischen Barockstils der Mitte des 17. Jahrhunderts
reichverziertes Sandsteinportal fällt uns in der Häuserzeile
auf. Wir treten in einen stillen Hof, den das durchsonnte
Laub der Gartenbäume mit dämmerigem Goldgrün füllt.
Rings vor ihren sauberen, kleinen Wohnungen sitzen stille
alte Menschen, wohlgeborgen nach allen Mühsalen und
Leiden des schweren Lebensganges, dank der Güte des
Stifters dieses Hauses. Wir sind in Füchtingshof. In
dieser Stille scheint auch die Zeit ihre nimmer-ruhende
Hast vergessen zu haben. Draußen in den Straßen treibt
das Leben rastlos weiter, hierher dringt seine Unrast
nicht. Die Zeit steht stille. Und dann sind wir in dem
alten getäfelten Zimmer der Vorsteherschaft (s. d. Abb.
S. 207, Beilage). Die Bilder der Stifter grüßen in der
steifen Feierlichkeit ihrer Festtracht von der Wand, die
holländischen Barockstühle, mit den gewundenen Beinen
und den steilen, breiten Rücklehnen, auf denen sie gesessen,
der Renaissance-Ofen, der sie gewärmt hat, alles ist noch
da. Und die Wappen alle der wohledlen, ehrenfesten
Ratsherren und Bürgermeister, die hier ihres Amtes als
Vorsteherschaftsmitglieder gewaltet haben, finden wir an
den Wänden. — Die großzügige, wundervolle Dielen-

191S. VII./ VIII. 1.
 
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