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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Jaumann, Anton: Träume und Räume
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0275

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INNEN-DEKORATION

259

ARCHITEKT EMIL BERCHER-BASEL

EMPFANGSRAUM AUF DER BASLER MUSTERMESSE

TRAUME UND RÄUME

Im Traum, wo die Bleigewichte Zweck, Ausführbarkeit,
Kostenfrage abgeglitten sind, baut sich die Phantasie
Räume von überirdischer Schönheit. Da müssen die
Wände nicht tragen, die Dinge haben keine Schwere,
die Menschen, die hier wohnen, arbeiten nicht, sie feiern
nur Feste. Gold kostet nichts, die Höhe kostet nichts,
auch nicht die Weite. Jeden leise sich regenden Wunsch
überschüttet der Traum mit Erfüllungen. Wie ein Pfau
spreizt er den Fächer seiner Wahngebilde, die die Seele
trunken machen und furchtsam, das leibliche Auge je
wieder zu öffnen und in das bittere Reich der Wirklich-
keit zurückzukehren. Der Traum ist ein Gift, so süß und
so gefährlich wie ein Gift. Du überläßt dich entzückt
dem Schwindelflug, wenn die dunkelschweren Fittiche
sich heben, auf denen es wie von tiefblauer Seide und

Diamanten glänzt.....

Da tauchen Burgen auf, höher, herrlicher als Wal-
hall. . . In tiefen Gräben und kalten Verließen schauerst
du, die Wände verlieren sich oben im unergründlichen
Labyrinth von Streben. . Es wächst. . Es weitet sich
zur Kirche. Rubinrotes Licht tropft durch die Scheiben
schlanker, spitzer Fenster. . . . Gleich einem Falter
schwebst du im Gaukelspiel um die Pfeiler, um das Mär-
chengeraune der Kapitäle. . . Plötzlich durchströmt Orgel-
rauschen die Schiffe, flutet in schwerem Wogenschlag
durch die sich kreuzenden Gewölbe, bricht sich an den
mächtigen Pfeilern. In jeder Nische scheint eine Orgel

zu atmen und zu singen, so erschüttert ist die ganze weite
Kirche vom Klang. . . .

Und der Klang baut weiter. Aus den Akkorden
steigen farbige Wände, die zierlichen Melodien klettern
gleich Stegen und Wendeltreppen in die Höhen und
Tiefen; in kühnen Bögen übersetzen sie die Abgründe. . .
Dumpfe Glockentöne wachsen zu schwarzen Säulen. . .
Dazwischen bimmeln die kleinen hohen Glöckchen der
Zierblumen und Lampenschirme. Die weiß und roten
Schirmkaskaden fallen in blaue Säle, mit roten Logen
und roten Damastsitzen. . . . Silberfiguren tauchen auf,
überreift von weißer, schneeiger Filigranarbeit. . . . Gol-
dene Ritter starren aus schwarzen Ebenholznischen. . .
Wilde Urweltfeuer flammen die Marmorwände hoch. . . .
In Glasschränken ruhen zwischen Facetten und Spitzen-
nestern eingebettet Kleinode, erblindet von Alter, zit-
ternd in Schönheit. . . Da leuchten gefesselte Lichter,
Perlenschlangen kriechen und heben sich und schlingen
Bögen an jede Ecke und jeden Knauf im Weiten. . .

Da ziehen rosa Wolken zum Fenster herein, vom
Himmel her. . . . Flügel schwirren wie von hundert
Engeln. . . Der Raum weitet sich wieder zur Kirche, zur
Lichtkirche. Weißes Licht stäubt von oben herein. Auf
weißen Putzwänden flimmern, von Strahlenbündeln und
Wolken durchzogen, die blaurotgelben aufgelösten Bil-
der, die von Liebe, Sonne und glühender Hingabe er-
zählen. . . Alles Holzwerk kühl blau. . . Viel Glas. . .
 
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