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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Jaumann, Anton: Dank den Bildern
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0310

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294

INNEN-DEKORATION

ENTWURF: LUC1AN BERNHARD—BERLIN

SPEISEZIMMERWAND MIT KREDENZ

DANK DEN BILDERN

Eine schlimme Woche habe ich hinter mir, bös für
den Körper und bös für das bißchen Seele, was man
sich in diesen brutalen Zeitläuften noch gerettet hat. Man
stöhnt und flucht, aber das ist immer noch besser, als der
ungeheure Stumpfsinn, in den die Langeweile des All-
tags, diese endlose, graue Langeweile, uns versinken
läßt. Wie soll man sich diesem Meer von Schlamm und
Schmutz gegenüber verhalten? Arbeiten, ja, ist diese
ewige Wiederholung Arbeit? Du denkst an die Millionen,
die zuhause jetzt ebenfalls durch Schlamm und Schmutz
stapfen zu den schwarzen Fabriken, wo sie Granaten
drehen, nein, der einzelne hat ja nur ein Gewinde in end-
loser Wiederholung, eine Kurve, eine Spitze zu drehen
— aber ist das ein Trost? Und was ist das für eine
Tätigkeit, dieses stumpfe Anstehen und Warten und
Feilschen um jeden Kohlkopf, Apfel, um jeden Bissen!
Und dann hörst du Trauriges von zuhause.....Rings-
herum Mißgunst, Betrug, brutale Geldmacherei. Die
Reichen raffen an sich, was sie Eß- und Trinkbares er-
reichen können. Die »Schieber«, diese Drohnen der Ge-
sellschaft, sind die Herren der Situation. Sie verdienen
durch ihre unsauberen Geschäfte Vermögen, der Ge-
wissenhafte wird an die Wand gedrückt. Wo ist die
tiefgehende Läuterung, die der Krieg bringen sollte? Ja,
eine tiefgehende Zersetzung hat er gebracht, die alle
Kreise, die Führer, die Geistigen, die Geschäftswelt, aber
auch die Familie erfaßt und vergiftet hat. Du weißt den
Klagen, die aus der Heimat kommen, keinen Trost. Wer

wagt es, das Wort Religion unter solchen Umständen
in den Mund zu nehmen? Und auch der eitle Lippen-
dienst, die auf den Knien rutschende Dummheit um dich
herum kann nur abstoßen. Du greifst zur Zeitung, um
wieder auf nichts als Eitelkeit, Elend und Verblendung
zu stoßen. Prof essorenhafter Dünkel spreizt sich in großen
Worten, und keiner findet das erlösende einfache Wort,
von Volk zu Volk, von Mensch zu Mensch. Unterdessen
ein Meer von Blut und Schrecken ringsherum, das die
Widerwärtigkeiten der nächsten Umgebung nur noch
kleinlicher, aber auch ärgerlicher erscheinen läßt.

Da kommt wie ein Meteor das neuste Heft einer
Kunstzeitschrift, ein Engel in der Nacht, und die paar
Dutzend Bilder werden plötzlich zu deiner Erlösung.
Kein Künstler, kein Verleger hat wohl die Wirkung ge-
ahnt, die Bilder in solchen Zeiten ausüben können. Du
hast eben die ganze Politik verflucht und siehst nun
die kühn gewölbte Stirn des Staatsmanns, das Adler-
auge, das eiserne Antlitz. Alle verhängnisvollen
Grundirrtümer der Politik sind vergessen, all das unbe-
rechenbare Unheil, das sie den Menschen gebracht. Du
siehst nur diese wundervolle, mächtige Erscheinung eines
Menschen, der Größtes sinnt und wirkt — im Bild, ob
er selbst seine allzu menschlichen Schwächen gehabt,
was kümmerts dich? Du siehst die Darstellung religiöser
Ekstase — mag das sonst noch so peinlich sich abspielen,
als Verirrung, als Krankheit des Geistes oder die erschreck-
HchsteKnebelungmenschlicherGedankenfreiheit darstellen
 
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