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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Behne, Adolf: Kunst, Natur und Technik
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0123

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XXIX. 1AHRGANG.

DARMSTADT.

APRIL 1918.

KUNST, NATUR UND TECHNIK

VON DR. ADOLF BEHNE

Die Technik hat uns alle in den letzten Jahren ästhe-
tisch geblendet. Wie war das möglich? Man kann
es nicht anders erklären, als daß unserer Sinnlichkeit nach
dem überflüssigen Stilgequirl aus italienischer und deut-
scher Renaissance, aus Gotik und Maurenkunst die logi-
sche blanke Klarheit technischer Formen eine Erfrischung
und Erquickung war. Diese Wirkung war schon rein phy-
siologisch ganz verständlich — und verständlich nach dem
Charakter des menschlichen Verstandes ist es auch, daß
man alsbald zu der einfachen Angelegenheit unserer Sinne
das ästhetische Gesetz entwarf. Aber nachgerade er-
kennen wir wohl einen gewissen Irrtum. Nicht freilich
unser Gefühl irrte. Gefühle sind jenseits von begrifflich
falsch oder richtig .... sie sind oder sie fehlen. Wohl
aber war es ein Irrtum, aus der einmaligen, zeitlichen,
bedingten Empfindung unserer Sinne ein allgemeines, zeit-
loses Gesetz zu destillieren. Dagegen, daß uns damals
die Arbeiten der Ingenieure so wohl gefielen, ist ein Wider-
spruch so wenig heute wie damals möglich. Aber gegen
den allgemeinen Satz müssen wir heute Einspruch er-
heben, daß dem Schaffen der Ingenieure auf Grund einer
Gesetzlichkeit Schönheit eigne.

Wir brauchen nur unsere Sinne etwas eingehender
und aufmerksamer zu beobachten, als wir es damals in
erster Begeisterung als die Entdecker der technischen
Wunder taten. Halten wir gegen eine venezianische Barke,
wie sie etwa ein romantisierender Millionär der 80—90er

Jahre sich herstellen ließ, den neuen Typ eines schmucken
Motorbootes: selbstverständlich ziehen wir seine Einfach-
heit und Knappheit, die frisch und einprägsam ist, der
trägen Verputztheit der Kopisten-Barke vor. Aber be-
ruhigen wir uns bei diesem zunächst doch sehr einseitigen
Vergleich nicht; stellen wir einmal dem modernen Motor-
oder Ruderboot — wir können getrost ein recht gewähltes,
schickes Beispiel nehmen — ein geschnitztes Kanoe gegen-
über, wie es die Hand der Salomon-Insulaner schnitzte —
wohin verflüchtigt sich unseren Sinnen die Schönheit der
Technik?! Und so wie hier wird es in allen ähnlichen
Fällen gehen. Allemal wird die Technik sich siegreich
gegenüber der Unkunst und der Nachahmung halten, und
allemal wird sie vor der Kunst vergehen. (Man kann die
Probe sehr gut machen an Hand der schönen und tapferen
Schrift der Elisabeth Krämer-Bannow »Heimatschutz in
die deutschen Kolonien«, die als 117. Flugschrift des
Dürerbundes erschien.)

Die Kunst aber ist Schönheit! Kann nun ein Gebilde,
das vor dem Schönen wesenlos wird, selbst schön sein?
Unmöglich. Aber es braucht deshalb auch nicht häßlich
zu sein. Häßlich ist die Nachahmung der Barke. Werden
wir nun jenes Gebilde, das uns wohlgefälliger ist als alle
unkünstlerische Nachahmung, das aber ebenso entschieden
gleichgültig wird vor aller Schönheit — werden wir das
nicht am zutreffendsten als »hübsch« bezeichnen? Mit
diesem Ausdruck pflegen wir doch Erscheinungen zu be-

1918. IV. I.
 
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