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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Lux, Joseph August: Alte Möbel in neuen Räumen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0292

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ARCHITEKTEN HAN & C. WEGERIF —HAAG

SPEISEZIMMER IM HAUSE »SUB ROSA—HAAG

ALTE MÖBEL IN NEUEN RÄUMEN

VON JOSEPH AUG. LUX

Seit ungefähr zwei Jahren hat der Antiquitätenhandel
eine Hochkonjunktur zu verzeichnen, wie nie vorher.
Möbel, Bilder, Holzplastik, Kleingerät, Silber, Porzellan,
Stoffe fanden reißenden Absatz und demgemäß Preise,
die vordem in das Phantasiereich der Fabel verwiesen
waren. Diese Fabel ist Ereignis geworden. Die Trödel-
läden sehen aus wie geplündert; die Händler wissen schon
nicht mehr, wo sie das Gerumpel herschaffen sollen. So
viele Kirchen, Schlösser, altes Familiengut, als der heutige
Antiquitätenmarkt brauchen könnte für seinen Raub, gibt
es gar nicht. Die Provinzen sind erschöpft; und was da
und dort noch an Altertümlichkeiten existiert, ist ent-
weder durch staatlichen oder durch kirchlichen Denkmal-
schutz gesichert und mit Verkaufsverboten belegt. Natür-
lich blüht das Falsifikat. Um sich ein richtiges Bild von
den Verhältnissen zu machen, muß man sich gegenwärtig
halten, daß der einst blühende Exporthandel so gut wie
ausgeschaltet ist; es handelt sich lediglich um den Bedarf
des Inlandsmarktes. Dazu kommt, daß der Sammler
alten Stils ganz abgedrängt ist; seine Kunstliebe und sein
Sachverständnis waren die wesentliche Elemente einer
Kunstpflege, die ihn zum nicht zu unterschätzenden Träger
hatte; aber die wahnsinnigen Preise haben ihn lahmge-
legt ; mit der neuen Konkurrenz, deren Triebfeder keines-
wegs der Kunstsinn ist, kann und mag er nicht Schritt

halten. So verhält er sich abwartend; er weiß, es kommt
wieder anders. Die heutigen Auswüchse sind nur unge-
nügend zu erklären durch die verminderte Produktion im
modernen Kunstgewerbe, die gewiß auch das ihrige dazu
tut. In der Hauptsache aber haben wir es mit einer
Psychose des Kriegsgewinnertums zutun. Die »neuen
Reichen« sind es, die die kolossale Nachfrage nach »Alter-
tümern« und das springflutartige Anschwellen der Preise
bedingt haben. Geld spielt hier keine Rolle, auch der
Geschmack nicht; alles wird wahllos gekauft, was alt ist
oder so scheint. Dafür sprechen zwei Momente: man
will sich rasch einrichten; vor allem aber will man die
Patina der Vergangenheit, der Kultur, der Familientradi-
tion aufweisen, um das Plebejische des allzu neuen zu
verhüllen, koste es, was es wolle. Also bezieht man die
Ahnen aus dem Trödelladen. In der Psyche dieser neuen
Gesellschaft spielt ja das spekulative Denken auf Kapi-
talsanlage immer die Rolle des Leitmotivs, aber in diesem
Falle ist sie gewiß untergeordnet. Ja, man kann sogar
zugestehen, daß dieses Streben, gewisse Kulturrückstände
äußerlich wenigstens auszugleichen und das darin ausge-
sprochene Bewußtsein der kulturellen Unzulänglichkeit,
die sich hinter rasch erworbenen »Überlieferungen« ver-
birgt, nicht einmal unsympathisch ist. Wobei allerdings
nicht zu vergessen ist, daß hierbei in der Regel nicht das
 
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