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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Jaumann, Anton: Vom Adel des Kunstwerks
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Lichtwark, Alfred: Vom Kunstsammeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0074

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INNEN-DEKORATION

luc1an bernhard. »prinzess-kaffee«

türbekrönung von paul scheur1ch

VOM ADEL DES KUNSTWERKS

Eine untrügliche Prüfung für den wahren inneren Gehalt
eines Kunstwerkes ist sein Verhalten in ruinösem Zu-
stand zwischen Trödel und Schutt. Auf der Ausstellung
wirkt manches, das nur glatt und effektvoll aufgemacht ist,
das einen angenehmen Schmuck der Wand bildet oder
einen grellen Kontrast zur Umgebung. Später aber, wenn
Risse und Staub das Stück unansehnlich machen, wenn
keine Wand, kein Rahmen es unterstützt, erweist sich
erst so recht, was eigentlich an ihm ist.

Wir waren im Atelier des kranken Bildhauers. Da
standen die mächtigen Kolosse, die er auf den letzten Aus-
stellungen gezeigt hatte. Das Pathetische, Hohle dieser
Muskelparaden trat schon recht fatal hervor. Aber in den
verstaubten Ecken und im Schutt aus Gips und Tonbrocken,
da entdeckten wir eins ums andere Stücke und Reste von
Stücken, die uns entzückten und den körperlichen und geist-
igen Verfall unseres Bekannten tragisch empfinden ließen.
Dawar die Statuette eines Knaben, von Rissen und Schram-
men schon bedenklich entstellt — aber welches vibrierende
Leben war in dieser zarten sehnigen Gestalt, eine Besee-
lung, die uns wie etwas ganz Neues anmutete nach den
aufgeregten Stilexperimenten der letzten Zeit — und wir
erinnerten uns jetzt auch, daß uns selbst die Statuette, als
sie vor 15 Jahren zuerst ausgestellt war, in ihrer Anspruchs-
losigkeit gar nicht aufgefallen war. Hier zwischen Staub
und Schutt, offenbarte sie den angeborenen Adel.

Da lag eine Hand, so nervös durchgeistigt, man hätte
sie für die Hand des Rembrandt-deutschen halten können.

Teile von Köpfen, hager, fein, ohne jede »bedeutende«
Aufmachung, Masken, die aber nichts vom Theater an sich
hatten, Reste von Tieren, Rindern, Ziegen, fielen uns in
die Hände — bei manchen konnten wir noch ahnen, zu
welchem Werk sie gehört haben mochten, — und wir
hatten das alles früher, zwischen dem Rummel der Aus-
stellungen, als eine Art Naturalismus etikettiert, und waren
achtlos weitergegangen. Hier sahen wir, daß eine scheue,
aber allertiefste Empfindung darin steckte. . . .

Ich will keine zu weit gehende Schlüsse aus solchem
Erlebnis ziehen. Doch steht es nicht allein. Auf Maler-
buden kann man die gleiche Erfahrung machen. Soviel ist
sicher, Schutt und Staub sind gute Prüfsteine. Wenn ein
Werk im Verfall, ohne den blendenden Glanz der Ober-
fläche, ohne feierliche Umgebung, noch uns in der Tiefe zu
packen vermag, dann ist was dran, dann hat es unverlier-
baren Gehalt.................. anton jaumann.

*

VOM KUNSTSAMMELN. Sammeln von Erzeug-
nissen der Natur und der Menschenhand dient nicht
nur der Befriedigung eines mehr oder weniger stark in
jeder Seele vorhandenen Triebes, dem zunächst der
Gegenstand gleichgültig ist, auch nicht etwa nur der Aus-
füllung müßiger Stunden oder der Ausspannung nach an-
strengender Berufsarbeit. Die Sammeltätigkeit gehört zu
den unerläßlichen Vorbedingungen der höchsten Bildung,
denn sie weckt und entwickelt Kräfte der Seele und des
Geistes, die sonst ruhen, sie gewährt Fühlung mit dem
 
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