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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT KARL. JOH. MOSSNER-BEFLIN
»HIMMELBETT« VORHANGE MIT HELLEN RQSCHEN
MEIN TEPPICH. Ich habe heute in orientalischen
Märchenbüchern gelesen. Das Land der Teppiche
tauchte vor mir auf. Was ist uns der Teppich und was ist
er dem Orientalen! Ihm ist er soviel wie unsern Vorfahren
der Herd, das Wappen. Mehr, auf dem Teppich verrichtet
der Moslem seine Gebete, wie auf einem verehrungs-
würdigen Hausaltar, den er sich in die Wüste und auf
Reisen mitnimmt, der die Generationen als heiliges Erb-
stück verbindet. — Nein, ich will mir keinen Teppich
kaufen, der nur einen bestimmten Abschnitt Wollgewebe
mit etwas Flächenkunst darstellt, auf dem die Füße der
Dienstboten und der Gäste gedankenlos hinschreiten. Ich
werde mir einen knüpfen lassen, da unten irgendwo in
der Türkei, von schwarzäugigen Mädchen, die die Sehn-
sucht ihrer Finger hineinflechten und die Farbenglut ihrer
Träume. Auf meinen Teppich zu treten muß den Füßen
ein Fest sein. Die Zeichnungen der Muster müssen ihr
Maß nehmen von den Füßen einer geliebten Frau. Die
Linien müssen ein Gegenspiel sein für den Rhythmus
ihrer Tänzelschritte. Oh, ich hasse die nichtssagenden
Formen, mögen sie noch so kunstgerecht aufgeteilt sein.
Lieber einige Schnitzer und Verstöße in der Komposition!
Ich sehe in meinem Teppich so etwas wie ein Familien-
mitglied, und dazu wird er nicht durch irgend ein tadel-
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT KARL. JOH. MOSSNER-BEFLIN
»HIMMELBETT« VORHANGE MIT HELLEN RQSCHEN
MEIN TEPPICH. Ich habe heute in orientalischen
Märchenbüchern gelesen. Das Land der Teppiche
tauchte vor mir auf. Was ist uns der Teppich und was ist
er dem Orientalen! Ihm ist er soviel wie unsern Vorfahren
der Herd, das Wappen. Mehr, auf dem Teppich verrichtet
der Moslem seine Gebete, wie auf einem verehrungs-
würdigen Hausaltar, den er sich in die Wüste und auf
Reisen mitnimmt, der die Generationen als heiliges Erb-
stück verbindet. — Nein, ich will mir keinen Teppich
kaufen, der nur einen bestimmten Abschnitt Wollgewebe
mit etwas Flächenkunst darstellt, auf dem die Füße der
Dienstboten und der Gäste gedankenlos hinschreiten. Ich
werde mir einen knüpfen lassen, da unten irgendwo in
der Türkei, von schwarzäugigen Mädchen, die die Sehn-
sucht ihrer Finger hineinflechten und die Farbenglut ihrer
Träume. Auf meinen Teppich zu treten muß den Füßen
ein Fest sein. Die Zeichnungen der Muster müssen ihr
Maß nehmen von den Füßen einer geliebten Frau. Die
Linien müssen ein Gegenspiel sein für den Rhythmus
ihrer Tänzelschritte. Oh, ich hasse die nichtssagenden
Formen, mögen sie noch so kunstgerecht aufgeteilt sein.
Lieber einige Schnitzer und Verstöße in der Komposition!
Ich sehe in meinem Teppich so etwas wie ein Familien-
mitglied, und dazu wird er nicht durch irgend ein tadel-