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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Jaumann, Anton: Suggestive Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0064

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48

INNEN-DEKORATION

architekt marius amonn- bozen

»fremdenzimmer eines landhauses«

SUGGESTIVE FORM

Der Weg zieht den Blick in die Ferne, und mit dem Blick
den Geist, mit dem Geist die wandernden Schritte.
Wohlig fällt der Körper in den Klubsessel, dessen rund-
liche Schwellungen Weichheit atmen. Das Glatte lockt zu
streicheln, der eckige Stein fordert zum Anstoß heraus. —
Jede Form suggeriert uns eine Bewegung, ein Verhalten,
eine Stimmung. — Wenn in einem Bilde die beherr-
schende Linie eckig, dornig, in sich widerspruchsvoll ist,
wird das Bild niemals Ruhe, Stille, Resignation ausdrücken
können, auch wenn im übrigen alle Farbe grau, trübe,
herbstlich ist. Andrerseits unterstützt die suggestive Form
die Auffassung von Gehalt, Absicht, Stimmung eines
jeden Kunstwerks im höchsten Grade.

Für den Künstler.derjadoch betören, bezaubern, packen
will, ist die Form der Zauberstab. Doch blieb dies Geheim-
nis nicht den Künstlern vorbehalten. Wer immer im Leben
Eindruck machen, andere beeinflussen oder lenken will,
wird sich keineswegs auf den berühmten faszinierenden
Blick verlassen dürfen. Geste, Bewegung, Tonfall, ja auch
der formale Bau der Rede tragen das meiste zur Ver-
ständigung, zur »Stimmungmache«, zur Lenkung der Zu-
hörer bei. Namentlich im Unterricht läßt sich die Be-
obachtung machen, nicht der wissenschaftlichste oder
gescheiteste oder eifrigste Lehrer vermag am raschesten
und lichtvollsten zu erklären, zu unterrichten. Nicht das
Wort oder der Inhalt des Vortrags schafft Verständnis,
sondern in viel höherem Grade die Suggestion. Durch die
formale Führung der Gedanken und Vorstellungen ordnen

sich im Geist des Schülers die Begriffe, wachsen und ver-
binden sich in der vom Lehrer gewünschten Weise, eine
bezeichnende Geste leistet da oft mehr als ein viertel-
stündiger Vortrag — alle Erkenntnis ist ja doch nur ein
Vorgang im Unbewußten, und in der Sphäre des Unbewuß-
ten wirkt die Form unvergleichlich stärker als das Wort.

Auch in der Kunst keimen Eindruck, Stimmung, Er-
schütterung und Erhebung nur im fruchtbaren Dunkel des
Unterbewußtseins...............anton jaumann.

Der Künstler kann nur verstanden werden, wenn die
Ausdrucksmittel, deren er sich bedient, dasjenige,
was durch sie ausgedrückt werden soll, auf eine möglichst
schlagende, sinnlich einleuchtende, unmittelbar über-
zeugende Weise symbolisieren. Aus dem regsten und
unablässigsten Verkehr mit der Natur, aus der eifrigsten
und treuesten Beobachtung des Lebens schöpft der Künst-
ler seine Weisheit. Wir würden ihn nicht verstehen, wenn
nicht jeder, der sein Werk beschaut, auch die seinige
hätte; wenn wir nicht alle bis zu einem gewissen Grade
gelernt hätten, inneres Leben aus äußeren Zeichen zu deu-
ten ; aber der Künstler weiß für das, was er sagen will, den
einfachsten, treffendsten, schlagendsten, den allgemein-
menschlichsten Ausdruck zu finden. So werden Phan-
tasiegestalten der Künstler zu neuen Wirklichkeiten;
jeder findet in ihnen die wesentlichsten Züge des Vor-
stellungs- und Erinnerungsbildes wieder, das er sich selbst
gemacht hat....................Friedrich jodl.
 
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