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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Jaumann, Anton: Das Bild des Deutschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0117

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INNEN-DEKORATION

101

FRITZ VOGGENBERGER —FRANKFURT BETTNISCHE IN EINEM TOCHTER-ZIMMER

DAS BILD DES DEUTSCHEN

Ich habe ein Bilderwerk durchgeblättert, deutsche Raum-
kunst aus jüngster Zeit. Mehr sei nicht verraten.
Nun, diese Dinge sind reif, dagegen ist nichts zu sagen.
Gekonnt! Zeichnung und Ausführung gleich tadellos.
Nein, dieses Lob ist zu gering. Die Arbeiten haben hohen
künstlerischen Wert, wir können uns damit unbedenklich
vor dem Ausland sehen lassen. Wie uns dort die Kritik
auch gesinnt sein mag, die künstlerische Höhe der Aus-
stellung wird niemand anzweifeln dürfen.

Aber, eine Frage drängt sich doch so ganz nebenbei
auf. Wenn wir chinesisches Kunstgewerbe sehen, oder
gar chinesische Möbel mit ihren mühselig verschnörkelten
Schnitzereien, modeln wir nicht das Bild, wie wir uns den
Chinesen selbst vorstellen, unwillkürlich nach diesen Ar-
beiten? Ja auch chinesisches Leben und Staatswesen,
müssen wir es uns nicht ähnlich denken? In russischen
Holzschnitzereien sehen wir die dumpfe Phantastik des
Russen; den Italiener beurteilen wir — mit Recht oder mit
Unrecht — nach seinen Gipsfiguren und Marmorspitzen.

Wie nun müssen wir nach solchen Ausstellungen dem
Ausländer, der sich ein Bild des Deutschen machen will,
erscheinen? Manches wird er sich ohne weiteres erklären
können, so das Schwere, Solide und die mühselige er-
tüftelte Arbeit. Da wirkt manches recht konstruiert, aber

auch das stimmt zum Bild. Aber woher kommt da plötz-
lich diese dünne, gebrechliche Schlankheit, diese über-
spitzen Kurven, die mondänen gepuderten Farben, all dies
feminin Gezierte? Muß man sich darnach nicht den Deut-
schen als einen Gecken vorstellen, als einen Angekrän-
kelten, den nur mehr das Abnorme reizt? Und wie soll
sich das mit dem sonstigen Bild des Deutschen vereinen ?

Ein naiver Ausstellungsbesucher könnte, wenn er die
Modebilder sieht, zur Ansicht kommen, die deutsche Frau
von ehedem, die gute deutsche Hausfrau ist nicht mehr.
Die Deutsche muß jetzt am liebsten ein Püppchen sein
wie die berüchtigte Gaby, mit spitzen Fingern und einem
malaischen Porzellangesicht. Wie reimt sich das mit den
Erzählungen von der tapferen Dulderin, der Munitions-
arbeiterin, der pflügenden Bäuerin zusammen?

Und geht der Besucher dann weiter zu den Bildern,
was findet er? Wieder das gerade Gegenteil von der er-
warteten gesunden, schweren, geistig durchgearbeiteten
Energie: Das Feuer ist krankhaftes Fieber, die Anmut
gespreizte blasse Unnatur geworden. Dabei überall frag-
los höchstes artistisches Können, verbunden mit einem
Geschmack, der um Haaresbreiten wägt.

Was ist die Folge? Entweder der Fremde bekommt
von dem Deutschen ein total zerrissenes oder ein voll-

1918. III. 3.
 
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