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INNEN-DEKORATION
ARCH. FRITZ AUG. BREUHAUS—DÜSSELDORF
ENTWURF ZU EINEM SCHLOSS AN DER OSTSEE
ORIENT-TEPPICHE
VON HELENE HANNA COHN
Es gibt heutzutage kaum ein besseres Bürgerhaus, das
nicht einen oder gar mehrere echte Orient-Teppiche
besitzt. Die Bezeichnung »echt« freilich ist in diesem
Falle recht dehnbar — der Käufer und die Firma, von
der dieser seinen Teppich bezieht, werden meistens mit
dem Begriff der Echtheit ganz andre Vorstellungen ver-
binden als der Kenner orientalischer Webekunst. Unter
einem »echten Perser« z. B. verstehen die meisten Leute
einen Teppich, der wirklich in Persien gearbeitet wurde,
und sie ahnen nicht, daß er um dieser Tatsache allein
willen die Bezeichnung »echt« ebensowenig verdient wie
eine Porzellanschüssel, die in einer beliebigen Töpferei
in Meißen angefertigt wurde, den Namen »echtes Meiße-
ner Porzellan« beanspruchen dürfte.
Es fragt sich nun, was ist ein wirklich echter Teppich?
Die Antwort eines Kenners würde lauten: Als echten
Teppich bezeichnet man einen solchen, dessen Material
aus reiner Wolle, Kamel- bezw. Ziegenhaar oder Hanf
besteht; der mit Pflanzen- und nicht mit Anilinfarben
gefärbt ist; der in Färbung und Musterung nicht eine
Nachahmung alter Originale oder gar eine Ausführung
von Vorlagen, die im Auslande gezeichnet wurden, ist,
sondern in dem ein orientalischer Webkünstler in Linien,
Bildern und Farben seine eigenen Vorstellungen und Ge-
danken, ja sogar seine persönlichen philosophischen Er-
kenntnisse und religiösen Erlebnisse auszudrücken suchte.
Die aus dem Orient stammenden Teppiche, die wir
in Hunderten moderner Haushaltungen finden, sind, falls
sie bei zuverlässigen Händlern gekauft wurden, wohl in
Material und Farbe häufig echt. Daß dagegen auch die
Musterung echt, d. h. der Originalentwurf eines morgen-
ländischen Künstlers ist und irgendeinen neuen Gedanken
enthält, ist so gut wie ausgeschlossen.
Beschränkt sich doch heute der gesamte Orient auf
die Nachbildung von einigen — in Persien von etwa
dreißig — Jahrhunderte alten Mustern, die allerdings
hundertfach variiert werden. Aber während diese Muster
für die teppichwebenden Künstler, die sie einst erfanden,
Ausdrucksformen tiefster philosophischer Gedanken,
höchster religiöser Inbrunst waren, ist heute ihre Bedeu-
tung dem orientalischen Nachbildner kaum noch bekannt,
und er merkt es wohl nicht einmal, wenn ihm zum Nach-
weben ein »orientalisches« Muster vorgelegt wird, das
in England oder Amerika entworfen wurde. Die Zeich-
nungen, die einst tiefe Symbole waren, sind heute ent-
seelt, teilweise von unberufener Hand verfälscht, und die
»echten« alten Teppiche, in deren Musterung sich die
Erlebnisse einer Menschenseele widerspiegelten, sind aus
orientalischen Häusern und Hütten in europäische und
amerikanische Paläste und Museen gewandert.
Freilich werden uns noch heute vielfach »antike« Tep-
piche zum Kauf angeboten, aber der Kundige, der da
INNEN-DEKORATION
ARCH. FRITZ AUG. BREUHAUS—DÜSSELDORF
ENTWURF ZU EINEM SCHLOSS AN DER OSTSEE
ORIENT-TEPPICHE
VON HELENE HANNA COHN
Es gibt heutzutage kaum ein besseres Bürgerhaus, das
nicht einen oder gar mehrere echte Orient-Teppiche
besitzt. Die Bezeichnung »echt« freilich ist in diesem
Falle recht dehnbar — der Käufer und die Firma, von
der dieser seinen Teppich bezieht, werden meistens mit
dem Begriff der Echtheit ganz andre Vorstellungen ver-
binden als der Kenner orientalischer Webekunst. Unter
einem »echten Perser« z. B. verstehen die meisten Leute
einen Teppich, der wirklich in Persien gearbeitet wurde,
und sie ahnen nicht, daß er um dieser Tatsache allein
willen die Bezeichnung »echt« ebensowenig verdient wie
eine Porzellanschüssel, die in einer beliebigen Töpferei
in Meißen angefertigt wurde, den Namen »echtes Meiße-
ner Porzellan« beanspruchen dürfte.
Es fragt sich nun, was ist ein wirklich echter Teppich?
Die Antwort eines Kenners würde lauten: Als echten
Teppich bezeichnet man einen solchen, dessen Material
aus reiner Wolle, Kamel- bezw. Ziegenhaar oder Hanf
besteht; der mit Pflanzen- und nicht mit Anilinfarben
gefärbt ist; der in Färbung und Musterung nicht eine
Nachahmung alter Originale oder gar eine Ausführung
von Vorlagen, die im Auslande gezeichnet wurden, ist,
sondern in dem ein orientalischer Webkünstler in Linien,
Bildern und Farben seine eigenen Vorstellungen und Ge-
danken, ja sogar seine persönlichen philosophischen Er-
kenntnisse und religiösen Erlebnisse auszudrücken suchte.
Die aus dem Orient stammenden Teppiche, die wir
in Hunderten moderner Haushaltungen finden, sind, falls
sie bei zuverlässigen Händlern gekauft wurden, wohl in
Material und Farbe häufig echt. Daß dagegen auch die
Musterung echt, d. h. der Originalentwurf eines morgen-
ländischen Künstlers ist und irgendeinen neuen Gedanken
enthält, ist so gut wie ausgeschlossen.
Beschränkt sich doch heute der gesamte Orient auf
die Nachbildung von einigen — in Persien von etwa
dreißig — Jahrhunderte alten Mustern, die allerdings
hundertfach variiert werden. Aber während diese Muster
für die teppichwebenden Künstler, die sie einst erfanden,
Ausdrucksformen tiefster philosophischer Gedanken,
höchster religiöser Inbrunst waren, ist heute ihre Bedeu-
tung dem orientalischen Nachbildner kaum noch bekannt,
und er merkt es wohl nicht einmal, wenn ihm zum Nach-
weben ein »orientalisches« Muster vorgelegt wird, das
in England oder Amerika entworfen wurde. Die Zeich-
nungen, die einst tiefe Symbole waren, sind heute ent-
seelt, teilweise von unberufener Hand verfälscht, und die
»echten« alten Teppiche, in deren Musterung sich die
Erlebnisse einer Menschenseele widerspiegelten, sind aus
orientalischen Häusern und Hütten in europäische und
amerikanische Paläste und Museen gewandert.
Freilich werden uns noch heute vielfach »antike« Tep-
piche zum Kauf angeboten, aber der Kundige, der da