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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Renatus, Kuno: Die Verwendung fortlaufend gemusterter Stoffe
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0088

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72

INN EN-DEKORATION

DIE VERWENDUNG FORTLAUFEND GEMUSTERTER STOFFE

Wir brauchen an dieser Stelle kaum zu erinnern, daß die
Verwendung von Ornamenten und schmückenden
Füllungen heute beliebter ist denn je. Die puristische
Enthaltsamkeit von allem Ornament, welche die Frühzeit
der neuen kunstgewerblichen Bewegung auszeichnete, ist
damit in ihr Gegenteil umgeschlagen und wird nur noch
von einigen radikalen Doktrinären weiter gepredigt.

Wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, wollen
wir an dieser Stelle nicht untersuchen. Wir wollen hier
nicht davon sprechen, wie man der Linienzüjie des
Jugendstils ebenso müde wurde wie der Kargheit der
Zweckform, wie dann, wesentlich von Wien ausbefruchtet,
die Erneuerung des Ornamentes unter unseren Augen
sich vollzog, und wie heute, angeregt von jenen vielfältigen
Bestrebungen, die der Laie unter dem Sammelnamen
»futuristisch« sich vorstellt, ein gewisser Wille zur Frech-
heit des Ausdrucks auch in der Raumfüllungsich bemerkbar
macht. — Hier sollen nur ein paar Bemerkungen versucht
sein, die mehr der praktischen Verwendung gelten.

In manchem simplen Tapezierergemüt stellt sich die
angedeutete Entwicklung so dar, daß vor einigen Jahren
noch »alles glatt« sein mußte, während jetzt »wieder
mehr gemustert« beim Publikum beliebt ist. Denn die
Form, in welcher viele Handwerker (Tapezierer, Deko-
rateure usw.) mit der ornamentalen Schmuckform in
Berührung kommen, ist nicht das für das besondere Raum-
feld eigens entworfene Ornament, sondern häufiger der
fortlaufend gemusterte Stoff (Druckstoff, Tapete usw.),
auf den das Ornament zu schmückender Verwendung
fertig aufgedruckt ist. Die Eigentümlichkeit der fortlau-
fenden Musterung besteht ja darin, daß die Aufteilung
der zu schmückenden Fläche nicht nach tektonischen
Hauptachsen erfolgt, sondern daß beliebig vermehrbare
Rapports aneinander gereiht werden. Wollten wir einen
historischen Exkurs versuchen, so könnten wir anmerken,

daß diese Art der Aufteilung dem abendländischen Raum-
gefühl ursprünglich fremd ist, daß sie aus dem Orient zu
uns gekommen ist, wo sie in der abstrakten geometrischen
Form der Wandfüllung ausgebildet worden ist, und daß
sie erst mit der Einführung der industriellen Druckver-
fahren, namentlich des Tapetendrucks, bei uns recht
heimisch geworden ist. Dies nebenbei.

Wie soll man nun fortlaufend gemusterte Stoffe ver-
wenden? Beginnen wir mit einem fingierten Beispiel, das
allerdings fast grotesk anmuten wird. Nehmen wir an,
wir wollten einen Schrank, nicht etwa einen gioßen monu-
mentalen Schrank, sondern einen kleinen Zierschrank,
wie man ihn etwa im Boudoir einer Dame voi findet, von
oben bis unten mit einer Tapete bekleben. Es würde
gewiß ein Greuel entstehen. Dagegen können wir uns
sehr gut vorstellen, daß wir dielnnenwändeeinesSchrankes,
etwa die Rückwände der Fächer einer Vitrine, mit einer
Tapete versehen können. Warum ist das eine möglich
und das andere nicht?

Der Grund liegt offenbar darin, daß die auf die Außen-
seite aufgeklebte Tapete die Form des Schrankes ins Un-
erträgliche zerreißen würde, während bei der Tapezierung
des Innern die Form des Schrankes unbeeinträchtigt bleibt.
Und damit sind wir sofort auf das Wesentliche gekommen.
Das Wesen des fortlaufenden Musters liegt ja, wie oben
schon angedeutet, darin, daß das Muster auf die Grund-
teilungen des Feldes, für das es verwendet werden soll,
keine Rücksicht nimmt. Dieses Feld ist ja bei Herstellung
des gemusterten Stoffes in der Regel gar nicht bekannt,
sondern im Druckstoff werden vom Fabrikanten Schmuck-
formen auf Vorrat hergestellt. Wird nun ein solcher Stoff
zum Schmücken verwendet, so entsteht ein Widerstreit
zwischen der Einteilung des Musters und der Grundteilung
des betreffenden Raumkörpers, an welche der gemusterte
Stoff angebracht wird. Dieser Widerstreit wird nur er-
 
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