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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Zucker, Paul: Die Farbe im Innenraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0251

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XXIX. JAHRGANG.

DARMSTADT.

SEPTEMBER 1918.

DIE FARBE IM INNENRAUM

VON DR. PAUL ZUCKER-BERLIN

Mit der Ausgestaltung der Formen des Innenraums,
sowohl der Wände wie der beweglichen Einrich-
tungsgegenstände, beschäftigen sich von jeher theoretische
Architekturtraktate, Stilkunden und mehr oder weniger
allgemein gehaltene ästhetische Überlegungen. Bald wer-
den im Wechsel der Zeitströmungen bestimmte Stilformen
als wesentlich empfohlen, bald wieder die Prinzipien der
materialgerechten und konstruktionsgemäßen Ausgestal-
tung in den Vordergrund gedrängt — jedenfalls wird
immer wieder versucht, dem gestaltenden Künstler einen
gewissen theoretischen Rückhalt für die Wahl und Aus-
gestaltung der Formen zu geben. Die ganze neuere
kunstgewerbliche Bewegung seit dem Jahre 1890 unge-
fähr ist angefüllt von dem Kampfe für oder gegen ge-
wisse formale Prinzipien.

Dieser eingehenden Beschäftigung mit der Form des
Möbels, der Wände und der Decke entspricht jedoch
nicht eine ebensolche Ausgestaltung der Farben-Theo-
rie. Es scheint als ob hier vieles dem Zufall oder den
lokalen Traditionen bestimmter Künstlergruppen über-
lassen bleibt, ohne daß theoretische Überlegungen irgend-
wie in das freie Gestalten eingriffen. Und doch sollte
zum mindesten versucht werden, auch auf diesem Gebiet
mindestens einige theoretische Grundlagen zu gewinnen.
Hier, ebenso wie in der Ästhetik der Formen, wird na-
türlich nie irgendeine Theorie beanspruchen können, ab-
solute Wahrheiten zu geben. Aber gerade aus dem
Kampfe und der zeitlichen Folge der Geltung ganz be-

stimmter Anschauungen vom Wesen der Farbe erhält
das künstlerische Schaffen seine stärksten Anregungen.
Ein Beweis dafür ist die Geschichte der Malerei in den
letzten zwanzig Jahren. Überblicken wir diese, so scheint
es tatsächlich, daß hier die Theorie vom Impressionismus
über den Pointiiiismus zum Expressionismus und seine
verschiedenen Strömungen den Kunstwerken gleichsam
vorangeeilt ist, daß namentlich im Schaffen der letzten
zehn Jahre die Theorie eine geradezu gestaltende
Wirksamkeit besessen hat. Das soll nicht etwa einen
Zweifel an der Echtheit der jüngeren Kunstrichtung dar-
stellen, sondern nur auf den innigen Zusammenhang zwi-
schen gedanklichen Überlegungen und künstlerischem
Schaffen hinweisen. Wenn dieser Zusammenhang sogar
bei der Malerei ersichtlich ist, wieviel wesentlicher muß
er für die gedanklich und zweckmäßig gebundene Kunst
des Innenraums sein!

Auch in der Innenarchitektur und der Dekoration der
Räume sind wir gewohnt, heute mit den gleichen starken
Farben und kräftigen Gegensätzen zu arbeiten wie es
unsere zeitgenössische, nachimpressionistische Malerei
etwa von Cezanne an tut. Wenn nun eingewendet wird,
daß diese starken, ungebrochenen Farben vielleicht für
die tropischen Landschaften eines Gauguin oder Pechstein
adäquate Ausdrucksmittel seien, aber nicht für die Innen-
räume Mitteleuropas, so wäre darauf zu erwidern, daß
hier eine Verwechslung von Ursache und Wirkung vor-
liegt. Denn Gauguin, Pechstein und andere neuzeitliche

1918. IX. 1.
 
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