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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Schulze-Eberfeld, Otto: Zu den Arbeiten der Firma Heinr. Pallenberg - Köln Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0345

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XXIX. JAHRGANG. DARMSTADT. DEZEMBER 1918.

ZU DEN ARBEITEN DER FIRMA HEINR. PALLENBERG-KOLN RH.

VON PROF. OTTO SCHULZE —ELBERFELD

Es wird stets ein Schwanken geben in der Wahl zwi-
schen Altem und Neuem, und je mehr die eine oder
die andere Richtung eine Unterstreichung über Gebühr
erfährt, wird Widerspruch und Widerstand sich dagegen
auflehnen. Aus diesem gegenströmigen Streben erwächst
der eigentlichen Entwicklung das Gesunde des Fort-
schritts; über zeitliche Empfindelei und geräuschvolle
Uberhebung als Mithelfer alles Neuen breitet das sich
erfüllende Schicksal nicht die schützende Hand. Und
wir selbst, die wir der Reife und Vollendung entgegen-
wachsen, runden das Gewordene aus dem Rückwärts-
liegenden ab, an den Tageserscheinungen flüchtiger Art
uns erfreuend wie an Frühlingsblumen. Das Erbe, das
Vermächtnis ist der prüf bare Bestand, die gewährleistende
Sicherung, die uns für Verwaltung, Ertrag und Mehrung
verpflichtet. Das Buch der Geschichte umfaßt dafür das
Soll und Haben, und der Vortrag auf der einen oder
anderen Seite zeigt den Stand des erreichten Gewinnes
oder Verlustes an. Leicht erworbene Gewinne ziehen
häufig fühlbare Einbußen nach sich, und die gesammelten
Rücklagen müssen dann Helfer in der Not werden, die
Ausfälle zu decken. — Im letzten Jahrzehnt ist uns dieser
naturgemäße Werdegang der Dinge besonders fühlbar
vor die Augen gerückt worden, er vollzog sich wieder
einmal mehr als Kreislauf denn in zielstrebiger Richtung.
Selbst große, anerkannte Stürmerund Dränger sind wieder
zu den alten Musterbüchern unserer Museen und alten
Schlösser geflüchtet, um die Zeitrichtung mit ihrer Wieder-

einstellung auf »alt« nicht zu verpassen. Sehen wir uns
doch daraufhin unsere »Innen-Dekoration« der letzten
Jahre durch; keine nennenswerte Einrichtung, die das
nicht bestätigte, kein Künstlername, der nicht auch schon
auf Konto »neu« verbucht worden wäre. Draußen schießt
man mit modernsten Riesengeschützen und zuhause ruht
man in Möbeln der Nachfolge des Königs »Stil« mit allen
Wechselbälgen und Bastarden. Also auch hier wieder
der tröstliche Hinweis, daß die ganz Klugen nie alle
Brücken hinter sich abbrechen, sie haben Verpflichtungen
erkannt, die an — wenn auch häufig billig erworbenen —
Ruhm des Tages gebunden sind. Und die Zeit hat sich
daraufhin wieder einmal zurück- und einstellen lassen.
Unser langes Verweilen auf belgischem und französischem
Boden, in polnischen und russischen Herren- und Edel-
sitzen hat die Blicke wieder sehnsüchtig auf alte Kunst
gerichtet, das kunstgeschichtliche Forschen ungemein
bereichert und angeregt und schließlich auch die vielen im
Felde und in den besetzten Gebieten stehenden Künstler
ergebungsvoll auf das Verbliebene eingestellt. Denn neue
Werke aus dem Vollen zu schöpfen, losgelöst von allem
Erinnern der letzten fünf Jahre — dazu reichen die
Nerven und die Phantasie nicht mehr aus, sich wieder-
finden kann man nur rücktappend in die Vergangenheit. —
Auch die Jugend muß erst wieder geschont, gepflegt und
erzogen werden. Also alle Reserven und alten Guthaben
heran, um an ihnen wieder zu erstarken und zur Be-
sinnung zu kommen. Auf sie ist immer noch Verlaß. —

1918. XII. 1.
 
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