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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Schmidt, Karl: Vom Künstlerischen Handwerk in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0128

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112

INNEN-DEKORATION

LUDWIG KAINER —CHARLOTTENBURG »DIELE« AUSSTATTUNG EINES FILMS

VOM KÜNSTLERISCHEN HANDWERK IN DEUTSCHLAND

VON KARL SCHMIDT—HELLER AU

Seit Jahrzehnten versucht man dem Handwerk und
besonders dem künstlerischen Handwerk
neue Bedeutung zu geben. Alle bisherigen Vorschläge
haben nichts genutzt. Man muß tastend weiterdenken.
Ich will in Nachstehendem versuchen, aus der praktischen
Erfahrung heraus einige Anregungen zu geben. Mit man-
chen von meinen Gedanken werde ich gewiß hier und
dort Anstoß erregen. Aber dadurch darf man sich nicht
abschrecken lassen. Man muß diese Dinge fest anpacken,
wenn man sie bewältigen will. Ich will gleich offen meine
Uberzeugung aussprechen: ich glaube nicht, daß das heu-
tige sogenannte künstlerische Handwerk imstande ist, die
Aufgabe zu erfüllen, den sichtbaren Ausdruck für den
Formwillen unseres Volkes zu schaffen. Ja ich glaube
nicht einmal, daß die Erzeugnisse des künstlerischen
Handwerks (von einigen hochstehenden Einzelarbeiten
abgesehen, die ja in Deutschland glücklicherweise auch
noch vorhanden sind) im ganzen genommen künstlerisch
höher stehen als die Erzeugnisse unserer guten, hoch-
stehenden Fabriken.

Ich will diese Uberzeugung näher begründen. Wenn
eine Drehbank, anstatt mit dem Fuß, durch mechanische
Kraft in Bewegung gesetzt wird, so wird zunächst an der
Art der Arbeit nichts geändert. Ebenso, wenn der Tischler

anstatt der Handsäge die Bandsäge benutzt. Grundsätz-
lich anders wird die Arbeit erst, wenn das Eisen bei der
Dreharbeit nicht mehr mit der Hand, sondern mit der
Maschine festgehalten wird, wenn das Brett, statt mit
der Hand, mit der Maschine gehobelt wird. In beiden
Fällen wird die Arbeit durch die Maschine genauer,
regelmäßiger, vielleicht aber auch langweiliger in der
Wirkung. Ebenso wird der Kehlstoß, der mit der Fräs-
maschine hergestellt wird, sauberer als der mit dem Hand-
hobel gekehlte. Ja, es ist längst so weit, daß unsere
Handwerker versuchen, mit der Hand so korrekt zu ar-
beiten wie mit der Maschine, und wenn der Tischler
sauber arbeitet, dann sind seine Kehlstöße genau so
langweilig wie die mit der Maschine gearbeiteten.

Ist es denn nun nicht Romantik, wenn ich den hand-
gekehlten, unregelmäßigen Kehlstoß dem maschinenge-
kehlten vorziehe? Die Maschine ist doch schließlich nichts
weiter als ein vergrößertes, gesteigertes Werkzeug. Es
hat einmal jemand gesagt: die Geschichte der Werkzeuge
ist die Geschichte der Menschheit. Vom Steinbeil und
Holzpflug zur Werkzeugmaschine und zum Dampfpflug.
Also ein ununterbrochener Fortschritt vom Primitiven,
Unregelmäßigen, Lebendig * Zufälligen zum Strengen,
Sachlichen, Exakten. Je vollkommener die Werkzeuge
 
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