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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 29.1918

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Kraft, Leonhard: Leitgedanken über den Erker
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https://doi.org/10.11588/diglit.10022#0318

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302

INNEN-DEKORATION

PÄOF. HUOO EBBRHARDT-OFFENBACH LANDHAUS COCHLOVIUS-BUCHSCHLAG

LEITGEDANKEN ÜBER DEN ERKER

Rosegger hat einmal das Haus als die getreueste Ver-
körperung der Volksseele angesprochen. Und es mag
einem wohl seltsam zu Mute werden, wenn man, dies Wort
überdenkend, manch ein Wohnviertel unserer Tage durch-
wandert. Fast möchte man froh darüber sein, daß der Krieg
hier wenigstens einmal vorübergehend der Bautätigkeit ein
Halt geboten. Aber wie wird es werden, wenn das Feh-
lende in den kommenden Friedenstagen nun gar im Ge-
schwindschritt nachgeholt werden soll! Zwar regt es sich
hie und da, um vorzuarbeiten und dem Heimstättenbau
die Wege zu ebenen. Los von der Mietskaserne wird
hierbei allenthalben die Losung sein, der Klein wohnungs-
und Einfamilienhausbau wird mancherlei Förderung er-
fahren. Ob auch eine restlos künstlerische, oder, ganz
bescheiden ausgedrückt, im guten Sinne geschmackvolle
Ausprägung? Wer möchte das mit ja beantworten! Wie
oft wird es wieder beim bloßen Schönmachenwollen
bleiben! Und unter den dabei vielseitig mißhandelten
Teilen des Wohnhausbaus wird sich mit Sicherheit der
alte gute Erker wieder finden.

Dem ist es eine Zeitlang gar schlecht gegangen. Der
Klassizismus verdrängte ihn aus seiner wohlerworbenen
Bedeutung für die Wohnung. Und als man dann in der
zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts »in deutscher
Renaissance machte«, fiel ihm jene heute noch nicht ganz

überwundene ominöse Rolle zu, die ihn als rein dekora-
tives Moment mißbraucht werden ließ. Als eine große
Pfefferbüchse erschien er außen, als eine Art Blinddarm-
fortsatz innen, ein handgreiflicher Beleg dafür, daß der
Bauherr sich außer dem Haus auch noch so ein Anhängsel
leisten und zeigen konnte, er lasse es sich etwas kosten.

Und doch lehrte eine ältere Zeit ein anderes. In die
Bahnen ihres Strebens, von dem ja Zeugen genug redeten,
mußte man wieder lenken, als neue Kraft das künstlerische
Schaffen erfüllte. Das Gefühl für wirkliches Gestalten
der Wohnung wurde wieder lebendig, und damit mußte
auch dem Erker erneut sein Recht werden. Die Fehl-
griffe in der Verwendung dieses Bauteiles beruhen immer
auf einer Verkennung seines Wesens. Der Erker um-
schließt einen Raumteil des Hauses, er fordert also räum-
liche Gestaltung im Zusammenhange mit ihm, vor allem
mit dem Wohnungsteil, aus dem er herauswächst. Dabei
rückt die Frage nach der Benutzungsmöglichkeit, und das
muß leider immer wieder besonders betont werden, in
die vordere Linie. Denn alles was beim Wohnhausbau nur
als reines Anhängsel erscheint, was einzig und allein Deko-
rationsstück bleibt, ist wertlose Verteuerung, und von
einem praktisch-räumlichen Gestalten, das doch bei der
Wohnung mitführend sein muß, kann dann keine Rede sein.
— Einem Wohn- oder Eßraum mittlerer oder auch kleiner
 
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